EU-Partner erhöhen Druck auf Ungarn - Budapest lässt Kritik abperlen

02.04.2020 16:49

Die Sondervollmachten für Viktor Orban in der Corona-Krise lassen
alle Alarmglocken schrillen. Die Hälfte der EU-Länder startet einen
gemeinsamen Appell - aber die östlichen Staaten fehlen fast alle.

Brüssel (dpa) - Die EU-Partner erhöhen den Druck auf Ungarn.
Deutschland und 13 weitere Länder äußerten sich in einer gemeinsamen

Erklärung beunruhigt über Corona-Notmaßnahmen, die gegen
Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundwerte verstoßen könnten.
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am
Donnerstag, sie sei über die Situation in Ungarn besorgt. Falls
nötig, werde die EU-Kommission handeln. EU-Parlamentspräsident David
Sassoli forderte offiziell eine Antwort der Brüsseler Behörde.

Der rechtsnationale Ministerpräsident Viktor Orban hatte sich am
Montag vom Parlament in Budapest mit umfassenden Sondervollmachten
ausstatten lassen. Sie könnten ihm ermöglichen, unbefristet auf dem
Verordnungsweg zu regieren. Während des Notstands dürfen keine Wahlen
und Referenden stattfinden. Die Verbreitung von Falschnachrichten
soll streng bestraft werden, so dass Journalisten um kritische
Berichterstattung fürchten.

Von der Leyen betonte, alle Maßnahmen der EU-Staaten während der
Corona-Krise müssten verhältnismäßig und auf das begrenzt sein, was

nötig sei. Zudem sollten sie nicht unbefristet andauern und
regelmäßig überprüft werden.

Fast gleichlautend formulierten es die 14 EU-Staaten in ihrer
gemeinsamen Erklärung. Es handelt sich fast ausschließlich um
westliche Mitgliedsstaaten - die einzige Ausnahme ist der Baltenstaat
Lettland. Über der Erklärung stehen neben Deutschland und Lettland
die Niederlande, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich,
Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Portugal, Spanien und
Schweden.

«Wir müssen diese Krise gemeinsam überwinden und auf diesem Weg
gemeinsam unsere europäischen Prinzipien und Werte hochhalten»,
erklärten sie. Der Ministerrat für allgemeine Angelegenheiten solle
sich gegebenenfalls damit befassen. Aus diplomatischen Kreisen in
Brüssel hieß es, man beobachte die Entwicklung in Ungarn und könne es

nicht fassen. Umso wichtiger sei es, die Auszahlung von EU-Mitteln an
Rechtsstaatlichkeit zu koppeln. Ohne einen Rechtsstaatsmechanismus
werde es keine Einigung auf einen neuen EU-Haushaltsrahmen geben.

Die Regierung in Budapest ließ die Kritik abperlen. Ungarn stimme mit
der Erklärung der EU-Länder völlig überein, sagte die ungarische
Justizministerin Judit Varga der staatlichen Nachrichtenagentur MTI.
Das gelte insbesondere für die Feststellung, dass «in dieser an
Herausforderungen reichen Zeit die Werte der Freiheit, der
Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte
hochzuhalten und zu schützen sind». Man bedaure, «dass es nicht allen

Mitgliedsstaaten offen stand, sich der Erklärung anzuschließen.»

Allerdings wächst der Druck auf Orban auch innerhalb der
christdemokratischen Europäischen Volkspartei. Orbans Fidesz-Partei
gehört offiziell noch zur EVP, obwohl die Mitgliedschaft ausgesetzt
ist. 13 Vorsitzende von EVP-Mitgliedsparteien beantragten am
Donnerstag den Ausschluss von Fidesz. CDU und CSU, die als große
Mitglieder in der EVP erheblichen Einfluss haben, waren nicht dabei.