Gegenwind für Orbans Notstandsgesetz - Drohen Ungarn Sanktionen?

03.04.2020 14:21

In der Corona-Krise griff Ungarns starker Mann nach noch mehr Macht.
Politiker in der EU und in Deutschland spielen mit dem Gedanken, dem
Donauland EU-Gelder zu entziehen. Hat Viktor Orban den Bogen
überspannt?

Berlin/Brüssel/Budapest (dpa) - Die Sondervollmachten für den
ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban in der Corona-Krise
stoßen international auf starke Kritik. Europastaatsminister Michael
Roth (SPD) brachte am Freitag finanzielle Sanktionen ins Spiel. «Es
ist unserer Bevölkerung nicht zu erklären, dass Staaten einen großen

Teil ihrer öffentlichen Investitionen mit EU-Geld finanzieren und
dann die Prinzipien der EU verletzen», sagte er im Gespräch mit der
«Welt». Finanzielle Sanktionen gegen Ungarn seien zu prüfen.

Der rechtsnationale Orban hatte sich am Montag vom Parlament in
Budapest mit umfassenden Sondervollmachten ausstatten lassen. Sie
könnten ihm ermöglichen, unbefristet auf dem Verordnungsweg zu
regieren. Während des Notstands dürfen keine Wahlen und Referenden
stattfinden. Die Verbreitung von Falschnachrichten soll streng
bestraft werden, so dass Journalisten um kritische Berichterstattung
fürchten.

Roth warb dafür, bei den aktuellen Verhandlungen über den EU-Haushalt
ab 2021 die Möglichkeit zu schaffen, Sanktionen mit qualifizierter
Mehrheit zu verhängen, wenn Länder gegen EU-Prinzipien verstoßen.
Zugleich sprach er sich für einen von der Bundesregierung
angestoßenen Rechtsstaatsmechanismus aus, bei dem künftig alle
EU-Mitglieder turnusmäßig überprüft werden sollen, nicht nur solche
,
bei denen es mutmaßliche Verstöße gibt.

Bereits am Donnerstag hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der
Leyen ihre Besorgnis über das ungarische Notstandsgesetz geäußert.
Die Kommission werde es prüfen, betonte die deutsche Politikerin.
EU-Budgetkommissar Johannes Hahn sagte dem Nachrichtenmagazin «Der
Spiegel»: «Wenn die Evaluierung der Kommission ergibt, dass Orbans
Handeln unseren Grundprinzipien widerspricht, werden wir die
notwendigen Konsequenzen ziehen.» Wenn es um die Einhaltung der
EU-Verträge gehe, könne es «keinen Rabatt» geben.

Orban tat die Kritik an seinen Vollmachten als Werk einer «Brüsseler
Blase» ab. «Womit beschäftigt sich Brüssel? Mit uns», sagte er am

Freitag im staatlichen Radio. «Dabei könnte man mit Zusammenarbeit
Menschenleben retten. Das täte jetzt not. Ich weiß nicht, was für
Menschen in der «Brüsseler Blase» sitzen», fügte er hinzu.

Derweil schloss sich Ungarn einer Erklärung an, in der sich
Deutschland und 16 weitere EU-Länder beunruhigt über exzessive
Notstandsmaßnahmen angesichts der Corona-Pandemie äußerten. Ungarn
wurde in der Erklärung nicht direkt erwähnt, war aber damit
unverhohlen gemeint. Am späten Donnerstagabend veröffentlichte das
Budapester Justizministerium auf der Regierungs-Webseite einen
Eintrag mit dem Titel «Ungarn schließt sich der unten stehenden
Erklärung von EU-Mitgliedsstaaten an». Darunter stand die Erklärung
der EU-Länder in ungarischer Übersetzung.