Marshall-Plan für ein Europa nach der Krise

05.04.2020 08:01

Die Corona-Krise beschäftigt Europa und die Welt aktuell Tag und
Nacht. Doch einige Politiker beschäftigen sich bereits mit dem Tag
danach.

Berlin (dpa) - Trotz aller Hilfemaßnahmen muss Europa mehr Geld für
die Zeit nach der Corona-Krise in die Hand nehmen. Aus diesem Grund
sprach sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für
massive Investitionen in den EU-Haushalt aus, «Wir brauchen einen
Marshall-Plan für Europa», schreibt sie in einem Gastbeitrag für die

«Welt am Sonntag». Der EU-Haushalt sei in allen Mitgliedsstaaten als
Instrument des solidarischen Ausgleichs akzeptiert und müsse der
Krise entsprechend angepasst werden.

Der Marshall-Plan war ein milliardenschweres Hilfsprogramm der USA,
mit dem das vom Zweiten Weltkrieg gezeichnete Westeuropa wieder auf
die Beine kam.

Von der Leyen zeigte sich zuversichtlich, dass sich Europa bald
wieder erholen werde: «Die vielen Milliarden, die heute investiert
werden müssen, um eine größere Katastrophe abzuwenden, werden
Generationen binden.» So könne auch in der Krise das Gefühl der
Gemeinschaft unter den Nationen Europas erneuert werden.

Für einen Marshall-Plan sprachen sich auch die früheren Außenminister

Joschka Fischer (Grüne) und Sigmar Gabriel (SPD) aus, allerdings zur
Unterstützung Spaniens und Italiens, um ein mögliches
Auseinanderbrechen Europas zu verhindern. «Europa braucht jetzt
zweierlei: gemeinsame Hilfen in der Krise und ein gemeinsames
Wiederaufbauprogramm nach der Krise», schreiben Fischer und Gabriel
in einem Gastbeitrag für das «Handelsblatt» und den «Tagesspiegel
»
(Montag).

«Italien und Spanien werden es Europa und vor allem uns Deutschen
hundert Jahre lang nicht vergessen, wenn wir sie (...) jetzt im Stich
lassen. Und genau das tun wir gerade», kritisieren die beiden
früheren Minister. Das Coronavirus habe aus ihrer Sicht das
Potenzial, die ohnehin in Europa existierenden Risse so massiv zu
vertiefen, «dass die Union daran auseinanderbrechen könnte». Vor
allem in Italien war wiederholt Kritik an der mangelhaften Hilfe der
EU laut geworden.

Die EU drohe bei dieser größten Bewährungsprobe seit ihrer Entstehung

dramatisch zu versagen, meinten Gabriel und Fischer. «Stattdessen
erleben wir, dass Mächte wie Russland und China
öffentlichkeitswirksam Hilfe liefern, um genau dieses Defizit Europas
zu betonen. Dass hier humanitäre und politische Ziele mindestens
gleichzeitig verfolgt werden, liegt auf der Hand.»

Zwar sei das deutsche Exportverbot für Hilfsmittel aufgehoben worden
und Deutschland gehöre zu den Ländern, die schwer erkrankten
Patienten aus Italien, Frankreich und Spanien Krankenhausbetten
anbieten. Doch sei dies bestenfalls ein «Tropfen auf den heißen
Stein».

Die beiden Ex-Minister erinnerten an zwei Hilfsprojekte 1948, die
Europa im Moment helfen könnten - die Berliner Luftbrücke und den
Marshall-Plan. Die am härtesten von der Corona-Pandemie getroffenen
Länder wie Italien und Spanien bräuchten jetzt ein sich überlappendes

Dreistufen-Programm: medizinisch-humanitäre Soforthilfe;
mittelfristige, langlaufende europäische Kredithilfen und ein
Innovationsförderungs-Programm zur wirtschaftlichen und sozialen
Zukunftssicherung. «Deutschland wäre gut beraten, sich an einem
solchen Hilfsprogramm auf europäischer Ebene sofort zu beteiligen,
statt den ideologischen Streit zwischen Nord- und Südeuropa über
Eurobonds oder Corona-Bonds fortzusetzen», betonten Fischer und
Gabriel.