Jourova: Grundrechte in vielen EU-Staaten wegen Corona eingeschränkt

06.04.2020 00:01

Berlin (dpa) - Die meisten EU-Länder haben nach Ansicht der
Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, im Kampf gegen das
Coronavirus mittlerweile die Grundrechte ihrer Bürger eingeschränkt.
«Bisher haben 20 EU-Länder eine Art Notstandsgesetzgebung
verabschiedet, um die Corona-Krise erfolgreich zu bekämpfen und die
notwendigen Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen und den Schutz der
Menschen gegen das Virus durchsetzen zu können», sagte die für
Rechtsstaatsfragen zuständige Kommissarin der Zeitung «Die Welt»
(Montag).

Auf lange Sicht bestehe jedoch die Gefahr, dass die Demokratie durch
diese Maßnahmen geschwächt wird, meinte Jourova. «Darum ist Kontrolle

in diesem Moment so wichtig.» Eine demokratische Balance sei dringend
erforderlich. «Das Coronavirus darf die demokratische Ordnung nicht
killen», betonte Jourova. Nach ihren Angaben untersucht die
EU-Kommission derzeit in allen betroffenen Ländern die
Notfallmaßnahmen und prüft, ob sie gegen demokratische Grundwerte
(Artikel 2, EU-Vertrag) verstoßen. «Wenn das der Fall sein sollte,
werden wir einschreiten», sagte die Politikerin aus Tschechien.

Mit Blick auf die umstrittene Notstandsgesetzgebung in Ungarn sagte
sie, dass auch diese «im Detail» analysiert werden müsse. «Ich habe

aber meine Bedenken, was die Zeitbegrenzung und eine effektive
parlamentarische Kontrolle angeht.» Zudem bestehe «die Gefahr, dass
es bei der Berichterstattung über die Corona-Krise durch die
Medien zu einer Zensur kommen könnte». Die Kommission werde jetzt
aber genau verfolgen, wie das Gesetz in der Praxis angewendet wird.

«Wir werden genau verfolgen, wann die Maßnahmen in Ungarn
beendet werden», betonte sie. «Ich erwarte von der Regierung, dass
das in naher Zukunft passieren wird. Dann ist der Moment der Wahrheit
gekommen.»