und Bundesregierung ) Unionspolitiker: Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern holen

06.04.2020 14:40

Die Situation in Flüchtlingslagern auf den Ägäis-Inseln ist ohnehin
schon katastrophal. Wenn das Coronavirus sich dort ausbreitet, droht
noch Schlimmeres. Deutschland und andere Länder wollen Kinder
aufnehmen - Abgeordnete machen jetzt Druck.

Berlin (dpa) - Eine Gruppe von gut 50 Unionsabgeordneten drängt
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Kinder aus
überlasteten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln zügig in
anderen EU-Ländern unterzubringen. In Anbetracht der weltweit
rasanten Ausbreitung des Coronavirus sei eine umgehende Aufnahme
dringend geboten, heißt es in einem Schreiben, das der Deutschen
Presse-Agentur vorliegt. Den Schutzsuchenden in den Lagern drohe eine
Katastrophe, sobald die Erkrankung Covid-19 dort ausbricht.

Die dramatische Lage in den Flüchtlingslagern in Griechenland dürfe
Europa nicht unberührt lassen, schrieben die Politiker weiter. «Viele
Kinder leiden unter Traumata aufgrund ihrer Kriegserfahrungen und den
Zuständen in den Hotspots. Diese Situation ist inakzeptabel für uns
Europäer.»

Acht EU-Staaten hatten sich im März grundsätzlich zur Aufnahme
minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge und anderer Migranten aus
Griechenland bereit erklärt. Neben Deutschland gehören Frankreich,
Irland, Portugal, Finnland, Luxemburg, Kroatien und Litauen dazu. Die
EU-Kommission bemüht sich um die Umsetzung, also etwa die Auswahl der
Kinder und die Buchung von Flügen. Durch die Corona-Krise verzögerte
sich das Vorhaben. Von der Leyen sagte am Freitag im ZDF jedoch: «Die
ersten werden nächste Woche wahrscheinlich nach Luxemburg gehen.»

Ein Kommissionssprecher betonte am Montag in Brüssel, die EU-Staaten
müssten nicht darauf warten, bis ein Standard-Verfahren für diese
Umsiedlungen erarbeitet worden sei. Sie könnten auch unabhängig davon
beginnen. Die griechischen Behörden hätten eine bestimmte Zahl
unbegleiteter Minderjähriger ausgesucht, die bereits umgesiedelt
werden könnten.

Der Koalitionsausschuss von Union und SPD hatte im März beschlossen,
im Rahmen der EU-Partner Griechenland einen Anteil von insgesamt etwa
1000 bis 1500 Kindern nach Deutschland zu holen und zu betreuen. Es
handelt sich laut dem Koalitionsbeschluss um Kinder, die schwer
erkrankt oder unbegleitet und jünger als 14 Jahre sind.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte: «Wir hoffen, dass
sehr zeitnah hier konkret gehandelt werden kann.» Für Dienstag sei
eine Telefonkonferenz der zuständigen EU-Kommissarin mit Vertretern
von EU-Staaten geplant. Er zeigte sich zuversichtlich, dass es zu
einer einvernehmlichen Lösung komme. Innenminister Horst Seehofer
(CSU) wolle ein abgestimmtes Handeln. Das Thema bewege auch die
Bundeskanzlerin, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Ute Vogt,
äußerte sich erfreut über das Schreiben der Unionsabgeordneten.
Innenministerium und Kommission schöben die Verantwortung bislang hin
und her - auf dem Rücken der hilfebedürftigen Kinder, sagte sie.
«Luxemburg ist nun der erste Mitgliedstaat, der seine Zusage auch
umsetzt, Deutschland muss nun ebenfalls dringend handeln. Dann werden
auch weitere Staaten Ihre Verantwortung übernehmen.»

Ähnlich äußerte sich die die SPD-Vorsitzende Saskia Esken. Die
Bundesregierung müsse jetzt tätig werden, fordert sie. «Der Beschluss

ist eigentlich da. Insofern gibt es auch keinen Grund, weiter
abzuwarten», sagte Esken dem Radiosender MDR Aktuell. «In Deutschland
ist alles soweit vorbereitet, so dass wir ebenso wie Luxemburg in
dieser Woche mit einem ersten Transport beginnen sollten.»

Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette
Widman-Mauz (CDU), erwartet nun schnelle Beschlüsse. Im Bayerischen
Rundfunk sagte sie: «Wir müssen damit endlich beginnen, denn die
Situation wird nicht besser. Wir dürfen nicht warten, bis wir
irgendwann nicht mehr in der Lage sind, die Kinder aufzunehmen. Und
deshalb: Jetzt ist noch die Zeit. Deshalb dränge ich darauf, dass wir
unseren Beitrag erfüllen.»