Coronavirus: Menschenrechtskommissarin fordert Haftlockerungen

06.04.2020 14:53

Straßburg (dpa) - Die Menschenrechtskommissarin des Europarats hat
angesichts der Coronavirus-Krise auf das hohe Gesundheitsrisiko für
Gefängnisinsassen hingewiesen und mögliche Haftlockerungen gefordert.
Gefängnisse seien allgemein nicht genügend gegen eine Ausbreitung des
Virus gewappnet und könnten empfohlenen Maßnahmen wie körperliche
Distanz nicht umsetzen, betonte Dunja Mijatovic am Montag. Um
großflächige Ausbrüche in Haftanstalten zu verhindern, müssten die

Mitgliedsstaaten alle Alternativen für eine Inhaftierung prüfen.

Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei Häftlingen mit Vorerkrankungen
und älteren Insassen, die keine Bedrohung für die Gesellschaft
darstellten, gegeben werden, so Mijatovic. Eine Verringerung der Zahl
der Menschen in Haft in Europa sei «unabdingbar, um die wirksame
Umsetzung der Hygienevorschriften zu gewährleisten und den
zunehmenden Druck auf das Gefängnispersonal und das
Strafvollzugssystem insgesamt zu verringern», so die Kommissarin.

Der Europarat mit Sitz im französischen Straßburg kümmert sich um den

Schutz und die Einhaltung der Menschenrechte in den Mitgliedstaaten.

Weltweit gibt es nach UN-Angaben schätzungsweise rund elf Millionen
Häftlinge. Viele von ihnen sitzen in überfüllten Gefängnissen oder

haben wenig bis gar keinen Zugang zu Warmwasser, Seife und
medizinischer Versorgung. Tausende Gefangene - vor allem solche, die
wegen kleiner Delikte einsitzen - wurden deshalb vorzeitig
freigelassen oder verbüßen ihre Strafen im Hausarrest. In Europa
hatte beispielsweise Italien vorzeitig Häftlinge entlassen oder in
Hausarrest geschickt. In Ländern mit schlechten Haftbedingungen kam
es zu Krawallen und Fluchtversuchen, teilweise mit Verletzten und
Toten.