Seehofer enttäuscht von neuer EU-Kommission

22.05.2020 12:19

Berlin (dpa) - Innenminister Horst Seehofer übt scharfe Kritik an der
EU-Kommission unter Ursula von der Leyen. «Ich hatte große Hoffnungen
auf die neue EU-Kommission», sagte Seehofer im Gespräch mit dem
Magazin «Spiegel». «Heute bin ich, gelinde gesagt, enttäuscht.» V
or
allem in der Migrationspolitik fühlt sich der CSU-Politiker im Stich
gelassen. «Ich darf mich um die Seenotrettung kümmern und um die
Kinder in den Flüchtlingslagern in Griechenland. Ich darf mich um
eine gemeinsame Asylpolitik bemühen», sagte Seehofer. «Das sind aber

alles Aufgaben der EU.» Auch beim jüngsten Vorstoß eines europäisch
en
Investitionsprogramms sei nicht Brüssel der Motor gewesen, sondern
Berlin und Paris, sagte Seehofer laut «Spiegel».

Wenig Verständnis hat Seehofer auch für von der Leyens Ankündigung
eines möglichen Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland.
Hintergrund ist die jüngste Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zu den milliardenschweren
Staatsanleihenkäufen der EZB. «Mir ist aufgefallen, dass die EU
ungewöhnlich häufig gegen ihre Mitgliedstaaten
Vertragsverletzungsverfahren und Klagen erhebt», sagte Seehofer dem
«Spiegel». «Ich frage mich: Wie soll so ein Zusammenwachsen in Europa

befördert werden?» Die EU-Kommission wacht über die Einhaltung
europäischen Rechts und kann Verfahren gegen Staaten einleiten.

Seehofer kündigte erneut seinen Rückzug aus der Politik zum Ende der
aktuellen Legislaturperiode, also regulär im kommenden Jahr, an. «Ich
bin dann ein unpolitischer Mensch. Sie werden mich in keinem
Aufsichtsrat finden. Sie werden mich mit der aktuellen Politik nicht
locken können, auch wenn sie mich vielleicht noch so ärgert.»

Für die Krisenpolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) während der
Corona-Pandemie fand Seehofer lobende Worte: «Das war genau die
richtige Strategie.» Das Land sei bisher gut durch die Krise
gekommen. «Dies alles führt bei mir zu der Zuversicht, dass wir das
Virus weiter zurückdrängen und vielleicht sogar überwinden können
»,
sagte der Minister dem «Spiegel». Über sein Zerwürfnis mit Merkel b
ei
der Migrationsfrage wollte er sich demnach nicht äußern. «Die
Virologen haben einen schönen Satz: In der Krise schaut man nicht
zurück«, sagte er. Er werde über das Thema aber «vielleicht späte
r
einmal viel schreiben».