Unionspolitiker werben für Wiederaufbau-Plan von Merkel und Macron

24.05.2020 04:45

Keine «Schuldenunion durch die Hintertür», sagt Österreichs Kanzler

Sebastian Kurz. Bundestagspräsident und Ex-Finanzminister Schäuble
hat dagegen nichts gegen kreditfinanzierte Zuschüsse für EU-Staaten,
um die Wirtschaft nach der Corona-Krise anzukurbeln.

Berlin (dpa) - Führende Unionspolitiker haben den
deutsch-französischen Milliarden-Plan zum Wiederaufbau der
europäischen Wirtschaft nach der Corona-Pandemie verteidigt. «Dieser

Vorschlag ist aus meiner Sicht in einer historischen Situation, in
der der europäische Zusammenhalt auf die Probe gestellt wird, die
richtige Antwort», sagte Kramp-Karrenbauer «n-tv.de». «Ich werde am

Montag im CDU-Bundesvorstand empfehlen, dass wir diesen wegweisenden
Plan für ein wirtschaftlich vitales Europa unterstützen.»

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sagte der «Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung», es gehe jetzt um eine «Sondersituation,
wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr hatten».
Bundestagspräsident und Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)
verteidigte, dass der Plan Zuschüsse statt rückzahlbare Kredite für
Krisenstaaten wie Italien vorsieht: «Weitere Kredite an die
Mitgliedsländer wären hingegen Steine statt Brot gewesen, denn eine
Reihe von ihnen ist jetzt schon hoch verschuldet», sagte er der «Welt
am Sonntag».

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron hatten jüngst ein Konzept für einen Wiederaufbauplan nach der
Coronavirus-Pandemie im Umfang von 500 Milliarden Euro unterbreitet.
Das Geld soll demnach von der EU-Kommission als Kredite am
Kapitalmarkt aufgenommen und über den EU-Haushalt als Zuwendungen
verteilt werden. Krisenstaaten, aber auch betroffene Branchen könnten
Zuschüsse bekommen.

In einem am Samstag bekanntgewordenen Gegenentwurf machen sich
Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande hingegen dafür
stark, die Wirtschaft mit günstigen Krediten statt mit Zuschüssen
wieder in Schwung zu bringen. Sie sprechen sich für einen
Notfallfonds aus, für den die EU-Kommission Geld an den Finanzmärkten
aufnehmen und dann an die Mitgliedsstaaten weiterreichen soll.
Diese Hilfen müssten letztlich aber zurückgezahlt werden. Die vier
Länder bezeichnen sich dabei als «die sparsamen Vier». Österreichs

Kanzler Sebastian Kurz warnte vor einer «Schuldenunion durch die
Hintertür».

Schäuble sagte, als Finanzminister habe er immer vertreten, darauf zu
achten, dass «die Zuständigkeit für Entscheidungen nicht von der
Verantwortung dafür abgekoppelt wird». «Und deshalb vergemeinschaften

wir jetzt auch nicht alte Schulden, sondern die EU-Kommission soll
den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Europa vorantreiben.»

Brinkhaus argumentierte, es gehe nicht um eine generelle
Vergemeinschaftung von Schulden. Das italienische Parlament könne
nicht einfach ein Haushaltsdefizit beschließen, das dann von Europa
übernommen werde. Die EU bestimme, wofür das Geld ausgegeben werde -
der nationale Gesetzgeber hafte weiterhin für seine Entscheidungen.

Der Unionsfraktionschef räumte auf Frage der «FAS» ein, es sei eine
Gefahr, dass die EU-Kreditaufnahme zum Präzedenzfall würden.
«Deswegen müssen wir sehr wachsam sein», sagte er, verwies aber auf
die «Sondersituation». «Es mag ja schön sein, in einer solchen Lage

auf Formalismus zu beharren. Nur: Wenn ringsum alles zusammenbricht,
behält man vielleicht recht, steht aber am Ende sehr allein da.»

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt regte unterdessen an, die
beiden konkurrierenden Vorschläge zu kombinieren. Beide Entwürfe
bewegten sich «innerhalb der europäischen Verträge», zitierte die
«Franfurter Allgemeine Sonntagszeitung» ihn. Deswegen könnte «ein
e
Kombination der beiden Vorstellungen, ohne das Finanzvolumen zu
erhöhen, ein Weg sein, um die europäische Solidarität und den
Zusammenhalt zur Bewältigung der Corona-Krise zu stärken».

Italien hat den Gegenentwurf von Österreich, Schweden, Dänemark und
den Niederlanden bereits als «unangemessen» zurückgewiesen. Die
schwere Rezession verlange «ambitionierte und innovative Vorschläge»,

denn der Binnenmarkt mit seinen Vorteilen für alle Europäer sei in
Gefahr, erklärte Europaminister Enzo Amendola auf Twitter.

Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen steht nun vor der
schwierigen Aufgabe, ein konsensfähiges Modell zu entwerfen. Sie wird
am kommenden Mittwoch einen neuen Vorschlag für die EU-Finanzen von
2021 bis Ende 2027 vorlegen, der auch einen Wiederaufbauplan für die
von der Corona-Pandemie schwer gebeutelte Wirtschaft umfassen soll.

FDP-Chef Christian Lindner geht davon aus, dass der Bundestag einem
solchen Vorhaben am Ende mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen
müsste. Er äußerte mit Blick auf den deutsch-französischen Plan
Vorbehalte: «Dass die Niederlande und Österreich nicht mitmachen
wollen, ist ein Warnzeichen für uns», sagte er der «Bild am Sonntag
».
«Ein falscher Anreiz zu unsolider Finanzpolitik könnte darin
bestehen, dass die Gelder nicht zurückgezahlt werden müssen.»