EU-Kommission prüft weiter Verfahren gegen Deutschland

25.05.2020 11:13

Brüssel (dpa) - Drei Wochen nach dem umstrittenen
Verfassungsgerichtsurteil zur Europäischen Zentralbank prüft die
EU-Kommission weiter, ob sie gegen Deutschland vorgeht. Die
zuständige Vizepräsidentin Vera Jourova sagte am Montag in einer
Anhörung des Europaparlaments: «Wir benötigen noch mehr Zeit, um das

Urteil zu analysieren und um zu entscheiden, ob wir rechtlich
vorgehen und wenn ja, wie wir das tun.» Sie bekräftigte die Position
der Kommission, dass europäisches Recht Vorrang vor nationalem Recht
habe und die EZB unabhängig agiere.

Das Bundesverfassungsgericht hatte Anfang Mai die milliardenschweren
Staatsanleihenkäufe der EZB beanstandet und sich damit erstmals gegen
ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gestellt. Kommissionschefin
Ursula von der Leyen kündigte deshalb an, ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland zu prüfen. Sie betont,
dass EuGH-Urteile für alle nationalen Gerichte verbindlich sind.

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber hatte am Sonntag im ZDF einen
europäischen «Kompetenzgerichtshof» vorgeschlagen, der Streit
zwischen nationalen Gerichtshöfen und dem EuGH schlichten könnte.
Dieser solle aus nationalen Verfassungsrichtern zusammengesetzt sein,
die dann künftig über die Zuständigkeit entscheiden.

«Die politische Wirkung des Urteils ist eindeutig: Es gab Applaus aus
Polen, es gab Applaus aus Ungarn», sagte Weber. «Also die politische
Wirkung des Urteils ist leider Gottes für die Rechtsgemeinschaft
Europas ein großer Schaden.»