Streit mit EU-Kommission um Auflagen zur Lufthansa-Rettung Von Christian Ebner und Andreas Hoenig, dpa

25.05.2020 15:56

Nach langem Ringen haben sich Bundesregierung und Lufthansa auf ein
komplexes Rettungspaket geeinigt. Von der EU-Kommission in Brüssel
kommen ernste Zweifel, aber Kanzlerin Merkel will sich nicht
reinreden lassen.

Berlin/Frankfurt (dpa) - Bei den angepeilten Staatshilfen für die
Lufthansa bahnt sich ein Konflikt zwischen Bundesregierung und
EU-Kommission an. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte
im CDU-Präsidium einen «harten Kampf» an, weil Brüssel die
milliardenschwere Rettung nur unter hohen Auflagen genehmigen wolle.

Laut einem Bericht des «Handelsblatts» plant die Kommission, der
Lufthansa aus wettbewerbsrechtlichen Erwägungen wertvolle Start- und
Landerechte an den Hauptstandorten Frankfurt und München zu nehmen.
Teilnehmer der CDU-Schalte bestätigten am Montag Merkels
entschlossenes Auftreten. Die Kanzlerin habe gesagt, sie wolle sich
von der EU-Kommission nicht «zu sehr» hereinreden lassen.

Die Wettbewerbshüter der EU-Kommission wollten sich zunächst nicht zu
möglichen Auflagen äußern. «Wir können zu diesem spezifischen Fal
l
keinen Kommentar abgeben», sagte eine Sprecherin auf Anfrage.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) nannte die
Forderungen der EU-Kommission «sachfremd». Sie schadeten dem
Luftverkehrsstandort Deutschland, erklärte er in Wiesbaden. «Wir
müssen mit allen Mitteln versuchen, dass das wichtige internationale
Luftverkehrsdrehkreuz Frankfurt nicht eingeschränkt wird und damit
die Gefahr besteht, dass die Bedeutung für den Luftverkehr und die
Wirtschaft eingeschränkt wird», erklärte Bouffier.

Die Bundesregierung und das Lufthansa-Management haben sich nach
Informationen der Deutschen Presse-Agentur grundsätzlich auf das
Rettungspaket mit einem Gesamtvolumen von neun Milliarden Euro
verständigt. Zustimmen müssen neben der EU aber noch der am Montag
tagende Lenkungsausschuss des staatlichen
Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und die Gremien der Lufthansa.
Die Einigung liege «im Rahmen» des von der Bundesregierung in der
vergangenen Woche vorgesehenen Rettungsplans, hieß es in
Regierungskreisen.

Neben Krediten der Staatsbank KfW und einer stillen Einlage des
WSF will sich der Bund vorerst mit 20 Prozent direkt an dem
Dax-Konzern beteiligen. Dieser Anteil könnte den Plänen zufolge mit
Hilfe einer Wandelanleihe auf eine Sperrminorität von 25 Prozent plus
einer Stimme ausgeweitet werden, etwa um eine feindliche Übernahme
aus dem Ausland zu verhindern.

Die EU-Kommission hatte die Regeln für Staatshilfen wegen der
Corona-Krise zuletzt deutlich gelockert. Sie wacht allerdings weiter
darüber, dass Hilfspakete nicht zu unverhältnismäßigen
Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führen. Sieht sie diese Gefahr
bei dem geplanten Lufthansa-Paket, könnte sie theoretisch besondere
Auflagen fordern.

Als generelle Auflage gilt zum Beispiel, dass die mit dem Geld der
Steuerzahler finanzierte Unterstützung hinreichend vergütet wird.
Zudem dürfen staatliche rekapitalisierte Unternehmen keine Dividenden
mehr ausschütten und keine Bonuszahlungen mehr leisten.

Kompliziert wird die deutsche Lösung durch die vorgesehene Stärkung
des Eigenkapitals. Kredite und Garantien des französischen Staats für
die Air France hatte die Kommission genehmigt. In Italien ist zudem
die dauerklamme Alitalia nach etlichen Überbrückungskrediten
vollständig verstaatlicht worden.

Die Deutsche Lufthansa AG ist erst seit 1997 vollständig
privatisiert. Das Unternehmen war 1953 gegründet worden und hatte
1955 den bis dahin von den Alliierten untersagten Flugbetrieb als
nationale Fluggesellschaft Deutschlands aufgenommen. Erste Schritte
zu einer Privatisierung erfolgten 1963. Das Unternehmen hat zwar die
Namensrechte der eng mit dem NS-Regime verflochtenen
Vorkriegs-Lufthansa übernommen, ist aber nicht deren
Rechtsnachfolgerin.

Die Lufthansa war in der Corona-Krise schwer unter Druck geraten. Der
Fluggesellschaft droht binnen Monaten das Geld auszugehen. Das Virus
mit den folgenden Reisebeschränkungen hatte den globalen Flugverkehr
mit Ausnahme der Fracht nahezu zum Erliegen gebracht. Im
Lufthansa-Konzern mit rund 138 000 Beschäftigten stehen Zehntausende
Arbeitsplätze auf der Kippe.