Corona-Hilfspaket für Lufthansa steht - Konflikt mit EU? Von Christian Ebner und Andreas Hoenig, dpa

25.05.2020 19:03

Mit einer komplexen Mischung aus Krediten, Beteiligungen und Regeln
will der Bund die angeschlagene Lufthansa vor dem Absturz bewahren.
Doch was sagt Brüssel zu den Vorschlägen?

Berlin/Frankfurt (dpa) - Neun Milliarden Euro als Hilfe, aber auch
klare Auflagen bei Umwelt, Dividenden und Vorstands-Boni: Das
staatliche Hilfspaket für die Lufthansa steht, wie Bundesregierung
und Unternehmen am Montag mitteilten. Allerdings muss die
EU-Kommission noch zustimmen, ebenso der Aufsichtsrat der Lufthansa
und die Hauptversammlung. Das Paket sieht verschiedene Hilfen und
Eigenkapitalmaßnahmen in Höhe von neun Milliarden Euro vor.

Bei den angepeilten Staatshilfen bahnt sich ein offener Konflikt
zwischen Bundesregierung und EU-Kommission an. Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) kündigte im CDU-Präsidium einen «harten Kampf» an, w
eil
Brüssel die milliardenschwere Rettung nur unter hohen Auflagen
genehmigen wolle.

Laut einem Bericht des «Handelsblatts» plant die Kommission, der
Lufthansa aus wettbewerbsrechtlichen Erwägungen wertvolle Start- und
Landerechte an den Hauptstandorten Frankfurt und München zu nehmen.
Teilnehmer der CDU-Schalte bestätigten am Montag Merkels
entschlossenes Auftreten. Die Kanzlerin habe gesagt, sie wolle sich
von der EU-Kommission nicht «zu sehr» hereinreden lassen. Nach den
Worten von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sind noch einige
Fragen mit der EU-Kommission zu klären. Es sei ganz wesentlich, dass
die Lufthansa am Standort Deutschland weiterhin ihre erfolgreiche
Arbeit im bisherigen Umfang fortsetzen könne.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) nannte die
Forderungen der EU-Kommission «sachfremd». Auch die Gewerkschaft
Verdi erklärte, dass wertvolle Start- und Landerechte nicht an
Konkurrenten vergeben werden dürften. Das gefährde nicht nur die
Wettbewerbsfähigkeit der Lufthansa, sondern auch Arbeitsplätze.

Der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) hatte am Montag
dem Paket zugestimmt. Die Bundesregierung hatte diesen Fonds
eingerichtet, um sich im Notfall an großen und wichtigen Unternehmen
beteiligen zu können. Die Lufthansa teilte in einer Pflichtmitteilung
an die Börse mit, auch der Vorstand befürworte das Paket.

Der Fonds soll stille Einlagen von insgesamt bis zu 5,7 Milliarden
Euro in das Vermögen der Deutsche Lufthansa AG leisten. Vorgesehen
ist dafür eine ansteigende Verzinsung von anfangs 4 Prozent bis auf
9,5 Prozent. Außerdem werde der WSF im Wege einer Kapitalerhöhung
Aktien zeichnen, um eine Beteiligung von 20 Prozent am Grundkapital
der Lufthansa aufzubauen. Der WSF könne außerdem seinen Anteil am
Grundkapital auf 25 Prozent plus eine Aktie erhöhen - damit könne
eine feindliche Übernahme abgewehrt werden.

Geplant ist außerdem ein Kredit in Höhe von bis zu 3 Milliarden Euro
unter Beteiligung der Staatsbank KfW und privater Banken mit einer
Laufzeit von drei Jahren. Es soll laut Mitteilungen Auflagen geben,
etwa einen Verzicht auf künftige Dividendenzahlungen und
Beschränkungen der Managementvergütung. Außerdem verpflichtet sich
der Konzern, seine Flotte mit verbrauchsgünstigeren Flugzeugen zu
erneuern. Im Aufsichtsrat sollen zwei Sitze in Abstimmung mit der
Bundesregierung mit Experten besetzt werden. Auf künftigen
Hauptversammlungen soll sich der WSF allerdings der Stimme enthalten.

Der Bund will nach der Corona-Krise erst dann wieder bei der
Lufthansa aussteigen, wenn es sich auch wirtschaftlich lohnt. Der
Zeitpunkt hänge von der Lage und dem Geschick der Unternehmens ab,
sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Ziel sei mindestens ein
kleiner Gewinn, der dem Staat auch helfen solle, die
Corona-Hilfsmaßnahmen zu refinanzieren. «Wenn das Unternehmen wieder
flott ist, dann wird der Staat seine Anteile veräußern», kündigte
Scholz an.

Altmaier nannte das Paket tragfähig und vernünftig. Die Beschäftigten

müssten keine Angst um einen Jobverlust haben, auch die Interessen
der Steuerzahler blieben gewahrt. Der Bund werde sich nicht ins
Tagesgeschäft einmischen - stelle aber sicher, das die Lufthansa vor
einem Verkauf an fremde Investoren geschützt sei.

Die Lufthansa war in der Corona-Krise schwer unter Druck geraten. Im
Lufthansa-Konzern mit rund 138 000 Beschäftigten stehen Zehntausende
Arbeitsplätze auf der Kippe.

Die EU-Kommission hatte die Regeln für Staatshilfen wegen der
Corona-Krise zuletzt deutlich gelockert. Sie wacht allerdings weiter
darüber, dass Hilfspakete nicht zu unverhältnismäßigen
Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führen. Als generelle Auflage
gilt zum Beispiel, dass die mit dem Geld der Steuerzahler finanzierte
Unterstützung hinreichend vergütet wird. Zudem dürfen staatliche
rekapitalisierte Unternehmen keine Dividenden mehr ausschütten und
keine Bonuszahlungen leisten.

Kompliziert wird die deutsche Lösung durch die vorgesehene Stärkung
des Eigenkapitals. Kredite und Garantien des französischen Staats für
die Air France hatte die Kommission genehmigt. In Italien ist zudem
die dauerklamme Alitalia nach etlichen Überbrückungskrediten
vollständig verstaatlicht worden.

Die Deutsche Lufthansa AG ist erst seit 1997 vollständig
privatisiert. Das Unternehmen war 1953 gegründet worden und hatte
1955 den bis dahin von den Alliierten untersagten Flugbetrieb als
nationale Fluggesellschaft Deutschlands aufgenommen. Erste Schritte
zu einer Privatisierung erfolgten 1963. Das Unternehmen hat zwar die
Namensrechte der eng mit dem NS-Regime verflochtenen
Vorkriegs-Lufthansa übernommen, ist aber nicht deren
Rechtsnachfolgerin.

Für Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kommen die
Klimaschutzbelange zu kurz. «Der Einsatz
öffentlicher Gelder - zumal in solch einem Ausmaß von
neun Milliarden Euro - muss aber Innovationen auslösen und den
Klimaschutz voranbringen.» Beides sei aber nicht zu erkennen.
Linken-Chef Bernd Riexinger nannte das Verhandlungsergebnis einen
«schlechten Witz»: «Geld ohne klare Gestaltungsmöglichkeiten lautet

das Fazit.» Die Bundesregierung habe eine Chance vertan.
FDP-Fraktionsvize Michael Theurer warnte, dass auch die EU-Kommission
noch mitspielen müsse, was kein Selbstläufer sei. Insbesondere die
Option zu einer Teilverstaatlichung mit Sperrminorität sei eine
schwere Bürde.