Bundesregierung will Corona-Reisewarnung für 31 Länder aufheben

26.05.2020 09:12

Noch vier Wochen bis zum Beginn der Sommerferien in den ersten
Bundesländern: Die Bundesregierung arbeitet an Regeln für den
Neustart des Tourismus über europäische Grenzen hinweg. Die
Reiseländer sollen Schutzmaßnahmen einhalten.

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung bereitet ein Ende der weltweiten
Reisewarnung für Touristen ab dem 15. Juni für 31 europäische Staaten

vor, wenn die Entwicklung der Corona-Pandemie es zulässt. Neben den
26 Partnerländern Deutschlands in der Europäischen Union gehören dazu

das aus der EU ausgetretene Großbritannien und die vier Staaten des
grenzkontrollfreien Schengenraums, die nicht Mitglied in der EU sind:
Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein. Das geht aus dem
Entwurf für ein Eckpunktepapier mit dem Titel «Kriterien zur
Ermöglichung des innereuropäischen Tourismus» hervor, der
möglicherweise bereits am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden
soll und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte die weltweite Reisewarnung
am 17. März ausgesprochen - ein bisher einmaliger Schritt. Dies ist
kein Reiseverbot, erlaubt aber Stornierungen gebuchter Reisen. Die
Reisewarnung soll - so der Plan - durch individuelle Reisehinweise
ersetzt werden, die für jedes einzelne Land Risiken aufzeigen.

Bisher waren Reisewarnungen nur bei einer Gefahr für Leib und Leben
vor allem in Kriegsgebieten wie Syrien oder Afghanistan verhängt
worden. In den vergangenen Wochen wurden mehr als 240 000 wegen
gekappter Flug- und Fährverbindungen gestrandete Touristen in einer
beispiellosen Aktion nach Deutschland zurückgeholt.

Die Aufhebung der Reisewarnung soll nun gerade rechtzeitig vor der
Ferienzeit das Startsignal für grenzüberschreitenden Sommerurlaub in
Europa geben. Man lasse sich dabei von dem Gedanken leiten, «dass die
Wiederbelebung des Tourismus wichtig ist sowohl für Reisende und die
deutsche Reisewirtschaft als auch für die wirtschaftliche Stabilität
in den jeweiligen Zielländern», heißt es in dem schon weitgehend
abgestimmten Entwurf aus dem Auswärtigen Amt.

Um einen möglichst guten Schutz der Touristen vor einer
Corona-Infektion zu gewährleisten, will sich die Bundesregierung in
der EU für eine Reihe gemeinsamer Kriterien einsetzen. Unter anderem
schlägt sie die Übernahme der Obergrenze von 50 Neuinfektionen auf
100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen durch die anderen
europäischen Länder vor. In Deutschland führt eine Überschreitung
dieser Grenze zu einer Wiedereinführung von bereits abgeschafften
Anti-Corona-Maßnahmen.

Zudem sollen die einzelnen Länder «tragfähige Konzepte» zur
Einhaltung von Abstandsregeln und zur Handhygiene, zum Tragen von
Masken und zur Belüftung und Desinfektion von Räumen entwickeln. Die
Schutzkonzepte sollen auch Pläne für den Fall der Erkrankung von
Urlaubern enthalten sowie hinreichende Testkapazitäten, Quarantäne-
und Behandlungsmöglichkeiten nachweisen. Zudem müssten die
Empfehlungen der EU-Kommission für die Sicherheit von Passagieren und
Personal in Transportmitteln wie Flugzeugen umgesetzt werden, heißt
es in dem Papier aus dem Außenministerium.

Die Europäische Kommission solle ein Verfahren zur Bewertung der
ergriffenen Schutzmaßnahmen entwickeln. Auf dieser Grundlage wollen
die zuständigen Bundesministerien dann «einvernehmliche Empfehlungen
zu Schutzmaßnahmen» aussprechen. Dabei soll das Verhältnis zwischen
Infektionsrisiko und ergriffenen Schutzmaßnahmen ebenso bewertet
werden wie die regionalen Unterschiede in den einzelnen Ländern.

Da Ausreisen und Einreisen zusammenhängen, fühlt sich hier auch
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) angesprochen. Denn das
innereuropäische Reisen wird nicht als Einbahnstraße funktionieren.
Das bedeutet: Wenn Deutschen wieder nach Italien fahren oder fliegen,
werden auch Italiener wieder nach Deutschland kommen können.

Und was ist dann mit den ebenfalls bis Mitte Juni geltenden EU-weiten
Einreisebeschränkungen für Menschen aus Drittstaaten? Sollten diese
generell verlängert werden, könnte es sein, dass Reiseverkehr
zwischen EU-Staaten zwar wieder möglich ist, Einreisen aus
Nicht-EU-Staaten, die möglicherweise deutlich weniger von der
Pandemie betroffen sind, aber verboten blieben.

Seehofer will in jedem Fall eine Regelung die für die Bürger logisch
und leicht zu verstehen ist. Auch deshalb könnte es sein, dass sich
die Beratungen dazu noch etwas hinziehen. Ein weiteres Indiz dafür:
eine Sitzung des sogenannten Corona-Kabinetts, bei der es nach
Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert auch um
innereuropäische Reisen hätte gehen sollen, war an diesem Montag
abgesagt worden. Zur Begründung hieß es, die anstehenden Beschlüsse
seien noch nicht «entscheidungsreif».