Neustart im Juni: Regierung stellt Weichen für Sommerurlaub in Europa Von Michael Fischer, Carsten Hoffmann, Friederike Marx und Andreas Hoenig, dpa

26.05.2020 19:18

Doch ab in den Süden? Ein Eckpunktepapier der Bundesregierung weist
den Weg für einen Start in den Sommerurlaub in Europa. Details müssen
allerdings noch geklärt werden.

Berlin (dpa) - Rechtzeitig vor Beginn der Ferienzeit will die
Bundesregierung den Weg frei machen für grenzüberschreitenden
Sommerurlaub in Europa. Die weltweite Reisewarnung für Touristen soll
ab dem 15. Juni für 31 europäische Staaten aufgehoben werden, wenn
die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie es zulässt. Die
Reisebranche begrüßt die Pläne, Verbraucherschützer forderten
ausreichend Sicherheit und Klarheit für Urlauber.

Nachdem Außenminister Heiko Maas (SPD) Gespräche mit europäischen
Nachbarstaaten und wichtigen Reiseländern der Deutschen aufgenommen
hat, soll die Reisewarnung durch individuelle Reisehinweise ersetzt
werden, die für jedes einzelne Land die Risiken zeigen sollen. So
sollen Reisen in Staaten und Regionen möglich werden und zugleich die
wirtschaftliche Stabilität in den Urlaubsländern sichern.

«Die Bundesregierung strebt an, ab dem 15. Juni 2020 das Reisen in
die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in Schengen-assoziierte
Staaten und in das Vereinigte Königreich von Großbritannien und
Nordirland soweit es die Lageentwicklung erlaubt wieder zu
ermöglichen», heißt es in einem Eckpunktepapier, das am Dienstag noch

zwischen mehrere Bundesministerium abgestimmt wurde und der Deutschen
Presse-Agentur vorlag. Wann das Kabinett darüber entscheidet, ist
noch offen. Nach Angaben aus Regierungskreisen wird dies für den 3.
Juni angestrebt.

Im Mittelpunkt: gemeinsame Kriterien, die dann mit den Urlaubsländern
abgestimmt werden müssen. So gilt eine mit der Situation in
Deutschland vergleichbare Infektionslage - genannt sind in dem Papier
50 Fälle pro 100 000 Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen
- als eine Voraussetzung. Das ist auch in Deutschland die
Alarmschwelle.

Gefordert werden «tragfähige Konzepte» für den Infektionsschutz -
Gesundheitsprotokolle in Hotels und Pensionen mit Abstandsregeln,
einer «Atemwegsetikette», Masken, Belüftung und Desinfektion, aber
auch ausreichend Behandlungsplätze für Einheimische und Touristen und
Test-Kapazitäten. Die deutschen Auslandsvertretungen könnten
bewerten, ob und wie solche Konzepte angewandt werden.

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller,
forderte: «Hygieneregeln sollten möglichst europäisch einheitlich
sein». Menschen, die zu Risikogruppen gehörten, «müssen weiterhin v
on
der Reisewarnung umfasst sein, solange es keinen breitenwirksamen und
zuverlässigen Impfstoff gibt.»

Schwieriger - das zeigt auch der Diskussionsstand - scheint die Frage
der Anreise. Unter dem Begriff «Verkehrsdienste» ist der
Passagiertransport mit Flugzeug, Bus oder Bahn gemeint. Auf die
betriebswirtschaftliche Gretchenfrage der Unternehmen, wie eng
gepackt Passagiere in Zeiten von Corona gesetzt werden dürfen, geht
das Papier in dem der dpa vorliegenden Sachstand nicht in den Details
ein. Erwähnt wird die Forderung nach Mund-Nase-Schutz sowie nach
Verfahren, wie Kontaktketten bei einem Infektionsfall nachvollzogen
werden können.

Im Flieger den Mittelplatz freizuhalten, lehnt der Bundesverband der
deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) ab. Die Luft an Bord werde
alle drei Minuten komplett ausgetauscht. Spezielle Filter entfernten
Bakterien, Viren, Pilze und Staub, argumentiert der Verband.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte die weltweite Reisewarnung
am 17. März ausgesprochen - ein bisher einmaliger Schritt. Dies ist
kein Reiseverbot, erlaubt aber Stornierungen gebuchter Reisen. Wer
wegen der Corona-Krise eine Pauschalreise nicht antreten kann, kann
sein Geld zurückverlangen oder Gutscheine akzeptieren.

Die von der Corona-Krise hart getroffene Tourismusbranche begrüßte
die Pläne der Bundesregierung. «Dies gibt nicht nur den Unternehmen
der Reisewirtschaft eine Perspektive, sondern auch den vielen
Deutschen, die sich auf ihren Urlaub zum Beispiel am Mittelmeer
freuen», sagte der Präsident des Reiseverbandes DRV, Norbert Fiebig.
Das Sommergeschäft mit Auslandsreisen ist normalerweise die
umsatzstärkste Saison der Branche mit etwa 2300 Veranstaltern und
mehr als 11 000 Reisebüros in Deutschland. Die Vorbereitungen auf
einen Start ins Auslandsreisegeschäft laufen bereits auf Hochtouren.

CSU-Chef Markus Söder reagierte hingegen verhalten. Er forderte,
über Lockerungen für Urlaubsreisen solle der Koalitionsausschuss von
Union und SPD kommende Woche beraten und diskutieren. Er persönlich
sei skeptisch, was große Urlaubsreisen angehe. In Italien und
Frankreich gebe es noch ganz andere Infektionszahlen. Das müsse auf
Bundesebene gut überlegt werden, gab Söder zu bedenken. Und das könne

auch keine Einzelentscheidung eines Ministers sein, sondern das sei
eine Grundsatzfrage der Koalition.

Der italienische Außenminister Luigi Di Maio machte sich unterdessen
für einen gemeinsamen Neubeginn des europäischen Tourismus Mitte Juni
stark. «Arbeiten wir darauf hin, dass wir am 15. Juni in Europa alle
gemeinsam neu starten können: der 15. Juni ist für den Tourismus ein
bisschen der europäische D-Day», sagte Di Maio dem Fernsehsender Rai
am Dienstag.

Der Begriff «D-Day» leitet sich von der Landung der Alliierten in der
Normandie 1944 ab und steht sinnbildlich für einen bedeutungsschweren
Tag. «Deutschland steuert darauf zu, am 15. Juni wieder zu öffnen»,
sagte Di Maio, «mit Österreich werden wir arbeiten, und wir arbeiten
mit anderen europäischen Ländern.» Italien will seine Grenzen vom 3.

Juni an für Touristen wieder öffnen. Ungewiss ist noch, ob Österreich

auch gegenüber Italien öffnet.