EZB-Direktorin Schnabel: Geldpolitische Lockerung möglich

27.05.2020 09:16

Frankfurt/Main (dpa) - Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte in
der Corona-Krise ihre bereits sehr expansive Geldpolitik weiter
lockern. Sollte dies erforderlich sein, sei die EZB bereit, all ihre
Instrumente einzusetzen, sagte die deutsche EZB-Direktorin Isabel
Schnabel der Zeitung «Financial Times». Das Interview wurde am
Mittwoch auf der Internetseite der EZB veröffentlicht.

Das Corona-Notprogramm PEPP, unter dem die EZB bis zum Jahresende
Wertpapiere über 750 Milliarden Euro kaufen will, könnte sowohl im
Umfang als auch in der Zusammensetzung angepasst werden, bekräftigte
Schnabel. Ähnlich hatte sich am Dienstag Frankreichs Notenbankchef
Francois Villeroy de Galhau geäußert.

Analysten können sich eine Aufstockung des Programms bereits auf der
nächsten EZB-Ratssitung am 4. Juni vorstellen. Grund ist das hohe
Kauftempo der EZB, weshalb das PEPP-Programm bereits im Herbst
ausschöpft sein dürfte.

Eine Ausweitung der Käufe würde laut Schnabel keine Reaktion auf die
jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darstellen. Das
Gericht hatte in einer einschneidenden Entscheidung von der EZB eine
Begründung für ihr Anleihekaufprogramm PSPP (Public Sector Purchase
Programme) verlangt. Ansonsten dürfe die Bundesbank nicht mehr an den
Käufen teilnehmen.

Aus Sicht von Schnabel wird es so weit nicht kommen. «Wir sind in
einer Währungsunion, und Deutschland und die Bundesbank sind ein
wichtiger Teil davon.» Man müsse eine Situation vermeiden, in der
eine nationale Zentralbank nicht an den Kaufprogrammen teilnehmen
könne.

Die aktuellen Notprogramme der EZB in der Corona-Krise hatten die
deutschen Verfassungsrichter in ihrem Urteil ausdrücklich
ausgeklammert. Im Zuge der Kaufprogramme investierte die EZB zwischen
März 2015 und Ende 2018 rund 2,6 Billionen Euro in Staatsanleihen und
andere Wertpapiere - den allergrößten Teil über das Programm PSPP, um

das es in Karlsruhe ging.