Verstöße gegen Libyen-Embargo: EU-Länder treiben Sanktionspläne vor an Von Ansgar Haase und Michael Fischer, dpa

10.08.2020 13:46

Berlin, Paris und Rom erhöhen den Druck auf Länder, die sich in den
Libyen-Konflikt einmischen. Jetzt gibt es eine erste Liste mit
Unternehmen, gegen die Sanktionen verhängt werden sollen.

Brüssel (dpa) - Deutschland, Frankreich und Italien wollen die
anhaltenden Waffenlieferungen in das Bürgerkriegsland Libyen nun mit
EU-Sanktionen eindämmen. Die drei Länder haben sich nach
Informationen der Deutschen Presse-Agentur auf eine Liste mit
Unternehmen und Personen verständigt, die Schiffe, Flugzeuge oder
andere Logistik für den Transport von Waffen bereitstellen und damit
gegen das seit 2011 bestehende UN-Embargo verstoßen. Konkret geht es
nach Angaben aus EU-Kreisen um drei Firmen aus der Türkei, Jordanien
und Kasachstan sowie um zwei Personen aus Libyen.

Im Libyen herrscht seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar
al-Gaddafi im Jahr 2011 Bürgerkrieg. Die Regierungstruppen werden von
der Türkei unterstützt, ihr Gegner, General Chalifa Haftar, wiederum
von Ägypten, Jordanien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und
Russland. Alle Versuche, in dem Konflikt zu vermitteln, blieben
bisher erfolglos - auch eine Libyen-Konferenz in Berlin im Januar.
Für Deutschland, Frankreich und Italien ist eine Lösung auch wichtig,
weil die chaotischen Zustände das Geschäft von Schlepperbanden
begünstigen, die Migranten illegal über das Mittelmeer nach Europa
bringen.

Die Liste wurde nach dpa-Informationen den anderen Mitgliedstaaten
bereits zugestellt. Sie soll nach der Sommerpause von den zuständigen
Gremien des EU-Ministerrats geprüft werden. Danach könnte dann der
offizielle Sanktionsbeschluss erfolgen. In der EU vorhandene
Vermögenswerte würden dann eingefroren. Zudem dürften europäische
Unternehmen mit den Firmen keine Geschäfte mehr machen.

Die Vereinten Nationen werfen vor allem Jordanien, der Türkei und den
Vereinigten Arabischen Emiraten vor, den Libyen-Konflikt mit
Waffenlieferungen und Söldnern anzuheizen. Beim Libyen-Gipfel hatten
sich zumindest die Türkei und die Emirate verpflichtet, das Embargo
einzuhalten. Nach UN-Angaben wurden die Lieferungen seitdem aber
unvermindert fortgesetzt.

Auf die Sanktionen hatte zuletzt vor allem Frankreich gedrungen,
nachdem eine französische Fregatte von einem türkischen Kriegsschiff
daran gehindert worden war, ein verdächtiges Frachtschiff zu
kontrollieren. Nach französischer Darstellung richtete das
Kriegsschiff sogar sein Feuerleitradar auf die Fregatte. Da solche
Systeme in der Regel nur benutzt werden, um Zieldaten für den
Gebrauch von Waffensystemen zu liefern, war dies von Frankreich als
«extrem aggressiv» gewertet und auch in der Nato thematisiert worden.

Mitte Juli hatten Frankreich, Deutschland und Italien erstmals mit
Sanktionen gedroht. Außenminister Heiko Maas (SPD) sprach damals von
einem zweistufigen Verfahren. In einem ersten Schritt könnten alle
Unternehmen und Personen, die sich am Bruch des Waffenembargos
beteiligen, gelistet werden. «Wir wissen, dass sowohl Material als
auch Söldner vielfach über gecharterte Schiffe oder Flugzeuge nach
Libyen gebracht werden.» Als zweiter Schritt seien Sanktionen gegen
Staaten denkbar, aus denen Waffen oder Söldner kommen.

Zur Abschreckung von Staaten, die weiter Waffen nach Libyen liefern,
hatte die Bundesregierung erst in der vergangenen Woche auch eine
Fregatte mit rund 250 Soldaten an Bord auf den Weg ins Mittelmeer
geschickt. Sie wird dort an der zur Embargo-Kontrolle eingerichteten
EU-Operation Irini teilnehmen.

Der Einsatz ist auch wegen der andauernden Corona-Krise eine
besondere Herausforderung. Die Pandemie könnte nach Marine-Angaben
dazu führen, dass die Besatzung ihr Schiff auch bei Hafenaufenthalten
nicht verlassen darf. Da die Rückkehr der Fregatte nach Wilhelmshaven
derzeit für den 20. Dezember geplant ist, würde das knapp fünf Monate

ohne Landgang bedeuten.