Demonstranten in Bulgarien stellen Regierung Rücktrittsultimatum

12.08.2020 14:25

Sofia (dpa) - Nach mehr als einem Monat regierungskritischer Proteste
in Bulgarien haben Demonstranten den Ministerpräsidenten Boiko
Borissow ultimativ aufgefordert, sofort zurückzutreten. Sie drohten,
das Parlament in Sofia während einer Sondersitzung an diesem
Donnerstag zu blockieren, um seinen Rückzug durchzusetzen. Um ihrer
Forderung Nachdruck zu verleihen, wollten die Demonstranten am
Mittwoch auch vor der deutschen Botschaft demonstrieren. Berlin hat
bis Ende 2020 die EU-Ratspräsidentschaft inne. Im EU-Parlament gehört
Borissows Partei GERB zur Europäischen Volkspartei, so wie auch CDU
und CSU.

Die Regierung aus Bürgerlichen und Nationalisten beschloss
unterdessen Corona-Hilfen für arbeitende Eltern von Schulkindern.
Auch Krankenhäuser, Schulen und Studenten sollen finanziell
unterstützt werden.

Bei Protestaktionen und auf Zeltblockaden beschuldigen die
Demonstranten das seit Mai 2027 regierende Koalitionskabinett seit
Wochen, wie eine Mafia zu handeln, Korruptionspraktiken zu dulden
sowie von Oligarchen abzuhängen. An den Protesten vor allem in der
Hauptstadt nehmen viele junge Menschen teil. Dabei sind auch recht
viele Anhänger des im Parlament nicht vertretenen pro-europäischen
konservativ-liberalen Blocks Demokratisches Bulgarien.

Demonstranten okkupierten in der Nacht zum Mittwoch erneut die große
Straßenkreuzung an der Sofioter Universität. Damit hielten sie drei
wichtige Verkehrsknoten der Hauptstadt besetzt, wo sie die Durchfahrt
mit Zelten, Parkbänken, Müllcontainern und Blumenkästen versperren.
Weitere Linien des öffentlichen Nahverkehrs mussten umgeleitet
werden. Ein Autokorso blockierte östlich von Sofia den Verkehr auf
der Autobahn, die von Belgrad nach Istanbul führt.

Die Demonstranten werden von Staatspräsident Rumen Radew unterstützt,
der der oppositionellen, Russland-freundlichen Sozialistischen Partei
(BSP, Ex-KP) nahesteht. Auch diese fordert Neuwahlen, obwohl es schon
im März 2021 eine reguläre Parlamentswahl geben soll.

Der Koalitionsrat der Regierung lehnt einen Rücktritt «auf Druck der
Straße» ab. Doch Borissow hatte sich bei einem Parteiforum bereit
erklärt, zurückzutreten. Auf Facebook postete er mehrere nicht
eindeutige Ansagen wie etwa «Zeit für Entscheidungen».