Erdgas-Konflikt mit der Türkei sorgt für Unruhe in der EU

14.08.2020 15:23

In Brüssel wird der Ton gegenüber der Türkei rauer. Verhängt die EU

wegen der Erdgas-Erkundungen im östlichen Mittelmeer neue Sanktionen?
Frankreich schickte zuletzt sogar zusätzlich Kriegsschiffe.

Brüssel (dpa) - Die Zuspitzung des Streits um Erdgasfelder im
östlichen Mittelmeer sorgt in der EU zunehmend für Besorgnis. Bei
Gesprächen der EU-Außenminister soll an diesem Freitagnachmittag
beraten werden, wie die EU den betroffenen Mitgliedstaaten
Griechenland und Zypern in ihrem Konflikt mit der Türkei noch stärker
unter die Arme greifen könnte. Zur Debatte stehen diplomatische
Initiativen, aber auch eine Verschärfung von Sanktionen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte nach dem letzten
Ministerrat im Juli bereits die Vorbereitung weiterer Strafmaßnahmen
gegen die Türkei angekündigt. Diese könnten beschlossen werden, wenn

Ankara seine als illegal erachteten Erdgas-Erkundungen im östlichen
Mittelmeer noch einmal ausweite, hieß es damals. Dies ist
mittlerweile der Fall. So war zuletzt das türkische Forschungsschiff
«Oruc Reis» begleitet von der Marine südlich der griechischen Inseln

Rhodos und Kastelorizo unterwegs.

Zur symbolischen Unterstützung Griechenlands ließ Frankreichs
Präsident Emmanuel Macron diese Woche die französische Militärpräse
nz
im östlichen Mittelmeer verstärken. Macron gilt in der EU als einer
der lautesten Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip
Erdogan. Er wirft Ankara auch offen Verstöße gegen das
UN-Waffenembargo gegen Libyen vor.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bemühte sich in Gesprächen mit der
Türkei und Griechenland um Entspannung. Die Kanzlerin habe am Vortag
mit Erdogan und dem griechische Regierungschef Kyriakos Mistotakis
telefoniert, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag. Die
Kanzlerin habe beiden Seite zu einem direkten Dialog aufgefordert.

Erdogan sagte, Merkel habe für Gespräche zwischen den
Konfliktparteien nach Abschluss der türkischen Erkundungen am 23.
August geworben. Die Türkei habe dem zugestimmt. Kurz nach dem
Telefonat warnte Erdogan vor einer Eskalation. «Wir haben ihnen
gesagt, seht, greift bloß unsere «Oruc Reis» nicht an. Solltet Ihr
unsere «Oruc Reis» angreifen, werdet Ihr einen hohen Preis dafür
bezahlen. Und heute haben sie ihre erste Antwort bekommen.»

Zuvor hatten verschiedene Gerüchte in der griechischen Presse über
eine Kollision zwischen einem türkischen und einem griechischen
Schiff im östlichen Mittelmeer die Runde gemacht. Die «Oruc Reis»
hatte am Donnerstag begleitet von der Marine die Suche nach Erdgas
südlich der griechischen Inseln Rhodos und Kastelorizo fortgesetzt.
Einigen Berichten zufolge hatte es eine seitliche Kollision zwischen
einer griechischen und einer türkischen Fregatte gegeben. Andere
berichteten, eine griechische Fregatte habe eines der Begleitschiffe
der «Oruc Reis» seitlich touchiert. Aus Athen wurden die Berichte
zunächst jedoch weder bestätigt noch dementiert.

Nach Meldungen des griechischen Staatsfernsehens hatten zudem
umfangreiche Manöver griechischer und französischer Kriegsschiffe
südlich von Kreta stattgefunden. Der türkische Präsident warf Athen
Heimtücke vor, zeigte sich aber zugleich dialogbereit.

In Deutschland und anderen Staaten gibt es die Befürchtung, dass sich
eine weitere Eskalation auch negativ auf die Zusammenarbeit mit der
Türkei in der Flüchtlingspolitik auswirken könnte. Zum Ärger der EU

nutzt die türkische Regierung dieses Thema auch immer wieder für
Drohgebärden.

Die EU-Staaten hatten bereits im Februar Einreiseverbote und
Vermögenssperren gegen Personen verhängt, die an als illegal
erachteten Erdgasbohrungen vor dem EU-Staat Zypern beteiligt gewesen
sein sollen. Bereits 2019 hatte die EU zudem beschlossen, die Vergabe
von EU-Mitteln einzuschränken, und Verhandlungen über ein
Luftverkehrsabkommen ausgesetzt.

Die Türkei weist die Vorwürfe illegaler Bohrungen zurück. Sie
vertritt den Standpunkt, dass die Gewässer, in denen sie probeweise
nach Erdgas bohrt, zu ihrem Festlandsockel gehören.