Bund könnte wegen Corona Millionen an Klima-Strafen sparen

14.08.2020 06:00

Während der Corona-Krise stand Deutschland teilweise still, mit
schweren Folgen für die Menschen und die Wirtschaft. Die Klimabilanz
dieses Jahres könnte allerdings unerwartet gut ausfallen - und dem
Bund einiges an Geld sparen.

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung könnte als Folge der Corona-Krise
um millionenschwere Klimaschutz-Strafzahlungen herumkommen. Seit
Jahren reißt Deutschland eigentlich EU-Budgets für den
Treibhausgasausstoß. Anfang des Jahres ging die Bundesregierung noch
davon aus, zusätzliche Verschmutzungsrechte bei anderen Staaten
kaufen zu müssen. 300 Millionen Euro waren dafür schon im Haushalt
eingeplant, der genaue Preis wäre aber Verhandlungssache gewesen. Nun
hat die Denkfabrik Agora Energiewende berechnet, dass die
Einschränkungen der Corona-Krise das Defizit deutlich verkleinern
dürften - oder die Ziele sogar übererfüllt werden.

Für Bereiche, die nicht Teil des EU-Emissionshandels sind, haben die
EU-Länder ein festes jährliches Treibhausgas-Budget. Das sind etwa
Verkehr, Heizungen, Landwirtschaft und ein Teil der Industrie. Für
die Periode 2013 bis 2020 hatten Experten mit einem Überschuss von
etwa 40 Millionen Tonnen CO2 in Deutschland gerechnet. Dafür hätte
der Bund Emissionsrechte bei Ländern kaufen müssen, die ihr Budget
nicht ausschöpfen. Agora Energiewende erwartet nun - je nach Wirkung
und Dauer der Corona-Maßnahmen - ein Ergebnis zwischen sechs
Millionen Tonnen Treibhausgas-Überschuss und 17 Millionen Tonnen
unter dem, was eigentlich erlaubt wäre.

«Deutschland wird sein EU-Klimaschutzziel für 2020 in den Bereichen
Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft fast erreichen», sagte der Direktor
der Denkfabrik, Patrick Graichen, der Deutschen Presse-Agentur. «Das
kommt überraschend, denn die absehbare Lücke war letztes Jahr noch
recht groß.» Corona habe die Emissionen auf ein Maß zurückgestutzt,

das den Zielvorgaben entspreche. «Um das dauerhaft zu sichern, sind
Sprünge hin zu klimafreundlichen Technologien nötig: mehr
Elektroautos, mehr Wind- und Solaranlagen, energieeffiziente
Gebäude», mahnte Graichen.

Das Bundesumweltministerium wagt noch keine Prognose. Für eine
«Punktladung» müssten die Emissionen 2020 um 10 Prozent im Vergleich

zum Vorjahr sinken, erklärte ein Sprecher. «Diese Verringerung ist
unter normalen Bedingungen unwahrscheinlich, doch in der aktuellen
Situation in Folge der Kontakteinschränkungen aufgrund der
Corona-Krise nicht ausgeschlossen.»

Durch den Covid-19-Shutdown sei es aber nicht möglich, verlässliche
Emissionsprojektionen für 2020 zu erstellen, weil es so etwas noch
nicht gegeben habe und noch völlig unklar sei, wie es weitergehe,
sagte der Sprecher. Jedenfalls dürfe man einen zeitweisen Rückgang
des Treibhausgas-Ausstoßes nicht mit strukturellen Fortschritten
verwechseln. «Insbesondere im Verkehrs- und Gebäudesektor stehen wir
in Deutschland noch vor großen Herausforderungen.»

Sabine Gores vom Öko-Institut hält es ebenfalls zu früh für
Vorhersagen. «Das hängt unter anderem davon ab, wie kalt es im Herbst
und Winter wird und ob die Menschen viel heizen», sagte die
Klimaschutz-Expertin. Noch sei auch unklar, welche Ausgleichseffekte
es im Verkehrsbereich gebe, weil Menschen zum Beispiel während der
Pandemie mehr mit dem eigenen Auto unterwegs waren statt mit
öffentlichen Verkehrsmitteln.