Freigelassene in Belarus berichten von schwersten Misshandlungen

14.08.2020 07:32

Minsk (dpa) - Nach ihrer Freilassung aus dem Gefängnis in Belarus
(Weißrussland) haben viele Menschen in dem von blutigen Protesten
erschütterten Land von schwersten Misshandlungen berichtet. In Videos
schilderten Frauen und Männer, dass sie kaum ernährt und in engsten
Zellen stehend zusammengepfercht worden seien. Viele Bürger zeigten -
nur in Unterwäsche bekleidet - ihre mit Platzwunden und großen blauen
Flecken von Schlägen übersäten Körper. Mehrere Entlassene mussten
sofort ins Krankenhaus gebracht werden, wie Medien in der
belarussischen Hauptstadt Minsk berichteten.

Zuvor hatte Präsident Alexander Lukaschenko, der als «letzter
Diktator Europas» bezeichnet wird, die Freilassung von Gefangenen
angeordnet. Innenminister Juri Karajew entschuldigte sich, dass bei
den Protesten gegen Fälschung der Ergebnisse der Präsidentenwahl vom
Sonntag auch viele Unbeteiligte festgenommen worden seien. So etwas
passiere, meinte er. Bis zum Morgen sollten mehr als 1000 der
insgesamt rund 7000 Gefangenen freigelassen werden.

Frauen schilderten nach der Freilassung aus dem Gefängnis auf der
Okrestin-Straße in Minsk unter Tränen, dass sie geschlagen worden
seien. In Zellen mit vier Betten seien 35 Frauen gewesen, sagte eine
Freigelassene dem Portal tut.by. «Sie haben mit schrecklicher
Brutalität zugeschlagen», sagte sie. «Überall war viel Blut.» 


Es war das erste Mal seit Tagen, dass der Machtapparat unter
Lukaschenko einlenkte. Tausende hatten auch am Donnerstag seinen
Rücktritt gefordert, nachdem er sich zum sechsten Mal zum Sieger der
Präsidentenwahl hatte erklären lassen. Lukaschenkos Sprecherin
kündigte eine Rede des Präsidenten an das Volk für Freitag an.

Mit der Freilassung reagierte der Machtapparat erstmals auch auf
Forderungen der EU, das gewaltsame Vorgehen gegen friedliche Bürger
zu beenden. Die EU hatte die Freilassung der Gefangenen gefordert.
Tausende sitzen aber weiter in den Gefängnissen. An diesem Freitag
wollen die EU-Außenminister über die Lage in der Ex-Sowjetrepublik
beraten.