EU-Kommission mahnt zu Handeln gegen Rassismus bei der Polizei

18.09.2020 15:45

Chatgruppen von Polizisten, die rassistische und rechtsextreme
Inhalte teilen: Die EU-Kommission reagiert entsetzt und fordert
Gegenmaßnahmen. Mit einem Aktionsplan will sie Diskriminierung
eindämmen.

Brüssel (dpa) - EU-Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova hat
Deutschland und die übrigen EU-Länder ermahnt, mehr gegen Rassismus
bei der Polizei zu unternehmen. «Wir fordern die Mitgliedstaaten auf,
ihre Anstrengungen zu verstärken, um rassistisches Verhalten in den
Strafverfolgungsbehörden zu verhindern und zu bekämpfen», sagte
Jourova am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Rechte
Chatgruppen wie bei der deutschen Polizei nannte sie unerträglich und
illegal. «Es ist Zeit zu handeln», sagte Jourova.

Zuletzt waren bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen fünf Chatgruppen
mit rechtsextremen und rassistischen Inhalten entdeckt worden. 30
Polizisten wurden vorläufig vom Dienst suspendiert. Auf Nachfrage
sagte Jourova dazu: «Wir müssen besonders wachsam sein, wenn es um
Rassismus bei der Strafverfolgung geht.» Die Strafverfolgungsbehörden
müssten Teil der Lösung im Kampf gegen Rassismus sein.

Die Forderung nach fairer Polizeiarbeit ohne «racial profiling» -
also Kontrollen aufgrund fremden Aussehens - ist auch zentraler Punkt
in einem Anti-Rassismus-Plan, den Jourova zusammen mit der für
Gleichberechtigung zuständigen Kommissarin Helena Dalli vorstellte.
Er ist auf fünf Jahre angelegt und soll Vorurteile gegen Minderheiten
auf allen Ebenen angehen. Geplant sind ein Anti-Rassismus-Koordinator
und ein Gipfel gegen Rassismus im Frühjahr 2021. Die 27 EU-Staaten
sollen nationale Aktionspläne aufstellen.

Vor allem in der Strafverfolgung sollen Vorurteile ausgemerzt werden,
sagte auch Dalli. Stereotype seien eine große Hürde, denn «wir haben

Bilder im Kopf, wie ein Täter aussieht». Solche erlernten Vorurteile
müssten wieder «entlernt» werden, um strukturellen Rassismus zu
überwinden. Gehandelt werden müsse national, regional und lokal und
nicht zuletzt in den Schulen mit veränderten Lehrplänen.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Aktionsplan am
Mittwoch in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union angekündigt.
Gegen Rassismus und Diskriminierung gelten in der EU sowohl eine
Gleichstellungs-Richtlinie als auch ein Rahmenbeschluss zur
strafrechtlichen Verfolgung bestimmter Formen von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit.

Im Alltag ist beides dennoch verbreitet. So sagten in einer Studie 45
Prozent der in der EU befragten Menschen nordafrikanischer Herkunft,
sie hätten bereits Diskriminierung erlebt. Bei Roma waren es 41
Prozent, bei Menschen mit schwarzafrikanischen Wurzeln 39 Prozent.
Elf Prozent der befragten Juden vermerkten Nachteile, weil sie
jüdisch sind.

Die EU-Kommission will auch vor der eigenen Haustür kehren und ihre
Linie bei der Einstellung neuer Mitarbeiter überprüfen, um spürbar
mehr Vielfalt zu erreichen. Außerdem müssten Schlupflöcher im
EU-Recht gestopft werden, die den Kampf gegen Diskriminierung und
Rassismus schwächen.