Anti-Geldwäsche-Kampf: Starke Aufsicht und härtere Strafen gefordert

21.09.2020 11:16

Recherchen des internationalen Journalisten-Netzwerks ICIJ enthüllen,
wie anfällig das globale Finanzsystem für Geldwäsche nach wie vor
ist. Schärfere Durchgriffsrechte für Behörden nicht nur in Europa
sind nur eine der Forderungen aus der Politik.

Brüssel/Berlin (dpa) - Nach den von einem internationalen
Journalisten-Team aufgedeckten Defiziten im weltweiten Kampf gegen
Geldwäsche werden Forderungen nach mehr Befugnissen für
Aufsichtsbehörden sowie schärferen Strafen laut. SPD-Chef Norbert
Walter-Borjans forderte am Montag in Berlin «endlich transparente
Regeln und eine fühlbare Sanktionierung von Verstößen».

Die Grünen im Europaparlament sprachen von «Staatsversagen in großem

Stil» und mahnten eine europäische Lösung an. Der
CSU-Europaabgeordnete und Sprecher der EVP-Fraktion im Ausschuss für
Wirtschaft und Währung des Europaparlaments, Markus Ferber, forderte
auf europäischer Ebene «endlich einen Aufseher mit echten eigenen
Durchgriffsrechten und einen Rechtsrahmen, der überall in der EU
gleichermaßen angewendet wird.» Andernfalls werde der Kampf gegen
Geldwäsche ein Flickenteppich bleiben.

Die von dem Recherche-Netzwerk bekannt gemachten Informationen aus
einem Datenleck des US-Finanzministeriums offenbaren nach Angaben der
beteiligten Medien, dass Banken aus aller Welt über Jahre hinweg
Geschäfte mit hochriskanten Kunden abgewickelt haben. Die Institute
hätten trotz strenger Regularien mutmaßliche Kriminelle als Kunden
akzeptiert und für diese Überweisungen in Milliardenhöhe ausgeführt
.
Gemeldet wurden diese Vorgänge den Berichten zufolge mitunter
zögerlich und teils mit jahrelanger Verspätung.

Walter-Borjans sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die
internationale Uneinigkeit spiele den gewissenlosen Akteuren in die
Hände. Allerdings schöpfe Deutschland auch die nationalen
Möglichkeiten nicht aus. «Wir brauchen ein Unternehmensstrafrecht,
das nicht nur einzelne Mitarbeiter, sondern Täter-Banken im Fall von
Rechtsverletzungen als Ganzes zur Rechenschaft zieht - bis hin zum
Lizenzentzug.» Der SPD-Co-Chef warf CDU und CSU vor, Vorstöße der SPD

zu blockieren, moralische Kategorien zur Richtschnur des
Wirtschaftens und folglich justiziabel zu machen.

Nach den Worten des CSU-Europapolitikers Ferber illustrieren die
Enthüllungen «sehr anschaulich, wie anfällig das internationale
Finanzsystem für Geldwäsche ist». Die Europäische Union sei da kein
e
Ausnahme. «Geldwäscher und ihre Helfer machen sich zunutze, dass die
Mitgliedstaaten die bestehenden Vorschriften nur halbherzig umsetzen,
sich untereinander nicht koordinieren und es keine europäische
Aufsicht mit echten Durchgriffsrechten gibt.» Auch Deutschland sei
keine Insel der Glückseligen, sagte Ferber: Die vom Finanzministerium
beaufsichtigte Anti-Geldwäschebehörde sei ein «Musterbeispiel dafür
,
was beim Kampf gegen Geldwäsche alles falsch läuft».

Der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im
Europaparlament, Sven Giegold, nannte es «skandalös, dass
internationale Großbanken auch nach der globalen Finanzkrise
Geldwäsche in großem Stil zulassen.» Die Grünen werden Giegold
zufolge im neuen Steuer-Ausschuss des Europaparlaments eine Anhörung
zu dem Datenleck auf den Weg bringen. «Interessant dürfte vor allem
sein, wann genau welche der beteiligten Banken zuletzt fragwürdige
Geschäfte gemacht hat», sagte er. Die Globalisierung des Verbrechens
benötige eine europäische Reaktion. Die gemeinsame Geldwäscheaufsicht

mit einer europäischen Financial Intelligence Unit (FIU) müsse jetzt
rasch kommen. Der Widerstand vieler Mitgliedstaaten gegen eine
europäische FIU sei ein Skandal.

Auch in Deutschland müsse die große Zahl an Geldwäscheskandalen
wirksame Konsequenzen haben. Die beim Zoll angesiedelte FIU müsse
schlagkräftiger werden. Das verschärfte Unternehmenssanktionsrecht
müsse zügig ohne weitere Verwässerungen beschlossen werden, forderte

Giegold. Alle Bundesländer müssten die zuständigen Polizeibehörden

und Staatsanwaltschaften stärken: «Die strengsten Gesetze sind nichts
wert, wenn die Strafverfolgungsbehörden ausgehungert werden.»

Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende forderte für
Deutschland eine einheitliche Aufsicht mit dem klaren Auftrag der
Kriminalitätsbekämpfung. In Europa müssen aus Sicht des früheren
Bundestags-Abgeordneten der Grünen das Korrespondenzbankenwesen
beendet und eine Finanzpolizei geschaffen werden.