Amnesty: EU-Firmen liefern Überwachungstechnologie an China

21.09.2020 14:36

In China rüsten die Behörden auf und überwachen etwa Angehörige der

Uiguren mit modernsten Mitteln. Die dafür nötige Technologie stamme
auch aus der EU, kritisiert Amnesty - und fordert Reformen.

Brüssel (dpa) - Trotz der schwierigen Menschenrechtslage in China
liefern Firmen aus der EU dem Land einem Bericht der Organisation
Amnesty International zufolge Überwachungstechnologie. «Damit
riskieren sie, dass diese dort zu schweren Menschenrechtsverletzungen
beiträgt», betonte Amnesty am Montag. Es handele sich unter anderem
um Software zur Gesichts-, Verhaltens- und Emotionserkennung. Die
Lieferungen gingen «direkt an Verantwortliche im chinesischen
Massenüberwachungsapparat und an staatliche Institutionen in der
chinesischen Region Xinjiang». Dort geht die Regierung nach Ansicht
von Menschenrechtlern massiv gegen die Minderheit der Uiguren vor.

Amnesty forderte die EU auf, die Regeln für den Export sogenannter
Dual-Use-Güter zu verschärfen. Damit sind Waren gemeint, die sowohl
für militärische als auch zivile Zwecke verwendet werden können. Dazu

zählen etwa Atomtechnologien, Navigationssysteme und
Überwachungselektronik. Derzeit verhandelt die EU-Kommission mit dem
Europäischen Parlament sowie den EU-Mitgliedern über eine Reform.

«Wir sind sehr besorgt, dass Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten zwar
in Lippenbekenntnissen die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang
verurteilen, gleichzeitig aber Reformvorschläge blockieren»,
kritisierte Amnesty-Expertin Lena Rohrbach. «Damit können in Europa
ansässige Firmen weiterhin unkontrolliert genau die Technologie
liefern, die für diese Menschenrechtsverletzungen benötigt wird.»

Konkret nennt Amnesty in dem Bericht drei Firmen. Dem
niederländischen Unternehmen Noldus Information Technology wirft die
Organisation vor, ihre Software zur Gesichts- und Emotionsanerkennung
auch an staatliche Stellen in Xinjiang verkauft zu haben, obwohl zu
dem Zeitpunkt schon Menschenrechtsverletzungen in der Region bekannt
gewesen seien. Noldus wies die Vorwürfe zurück und zeigte sich
«schockiert». «Unsere Software kann nicht zur Massenüberwachung
eingesetzt werden und stellt kein Risiko für Menschenrechte dar»,
betonte das Unternehmen in einer Stellungnahme.

Zudem nannte Amnesty den französischen Konzern Idemia. Das
Unternehmen habe noch unter dem alten Namen Morpho
Gesichtserkennungstechnologie an Sicherheitsbehörden in Shanghai
geliefert. Idemia betonte, dabei habe es sich um ein System zur
Aufklärung von Verbrechen gehandelt. «Es war ein
Gesichtserkennungssystem der alten Generation, das die lokale
Kriminalpolizei nutzen konnte, nachdem ein Ereignis stattgefunden
hat. Diese Ausrüstung war nicht in der Lage, für die
Echtzeitüberwachung verwendet zu werden.»

Amnesty kritisierte zudem, das schwedische Unternehmen Axis habe
Zehntausende 360-Grad-Kameras an chinesische Behörden geliefert und
sich damit am Aufbau eines Massenüberwachungsprogramm beteiligt. Axis
bestätigte die Geschäfte und räumte ein, dass die Produkte für ande
re
Zwecke missbraucht werden könnten als vom Unternehmen vorgesehen.
Zugleich betonte die Firma: «Axis entwickelt nur Lösungen für
Nutzerszenarien, an die wir glauben, und wir kommunizieren deutlich,
wie unsere Lösungen genutzt werden sollen.» Dabei würden der Wunsch
der Gesellschaft nach Sicherheit sowie das Recht auf Privatsphäre und
Menschenrechte ausbalanciert.