EU will Stahlarbeiter nicht im Stich lassen und Branche schützen

21.09.2020 16:54

Weltweite Überkapazitäten, die Folgen der Corona-Pandemie und ein
teurer Umbruch: Die Stahlindustrie steht vor einer gewaltigen
Aufgabe. Die EU will helfen. Die Debatte über geeignete Instrumente
aber läuft - ebenso wie über ein Freihandelsabkommen.

Berlin (dpa) - Die Europäische Union will ihre angeschlagene
Stahlindustrie mit Tausenden Beschäftigten auf dem Weg zu «grünem
Stahl» vor billigerer Konkurrenz schützen. «Wir wollen und wir werden

die europäischen Stahlarbeiter in den verschiedenen Mitgliedsländern
nicht im Stich lassen», sagte Bundeswirtschaftsminister Peter
Altmaier (CDU) am Montag in Berlin. Der für Handel zuständige
Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, sagte, die
EU werde alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um den
Stahlsektor zu unterstützen.

Die EU-Handelsminister kamen in Berlin zu einem informellen Treffen
zusammen. Deutschland hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne.

Die Stahlindustrie in der EU wird belastet von Überkapazitäten und
Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt, getrieben etwa von China. Dazu
kommen Umsatzeinbrüche infolge der Corona-Krise. Auf die
Stahlindustrie kommen im Zuge der Bemühungen für mehr Klimaschutz
zugleich immense Kosten zu bei der Umstellung der Produktion auf
«grünen Stahl».

In der EU wird deswegen eine CO2-Grenzsteuer debattiert, Altmaier
sprach von einem «Grenzausgleichsmechanismus». Produkte in Ländern,
in denen niedrigere Klimavorgaben gelten als in der EU und
kostengünstiger hergestellt werden, könnten zum Ausgleich bei der
Einfuhr in die EU mit einer Abgabe belegt werden. Die EU will damit
eine Abwanderung von Unternehmen verhindern. Altmaier sagte, «grüner
Stahl» aus Europa dürfe nicht von «schmutzigem Stahl» aus anderen
Regionen der Welt verdrängt werden. Er wies aber erneut darauf hin,
die Abgabe müsse konform zu den Regeln der Welthandelsorganisation
WTO sein.

Stahlerzeugung gehöre zu den Kernfähigkeiten in der Europäischen
Union, sagte Altmaier. Es gehe um eine Wettbewerbsperspektive für die
Stahlindustrie bei der geplanten Transformation hin zu «grünem
Stahl». Mit Blick auf Überkapazitäten auf dem Weltmarkt sprach er von

unfairen Praktiken vieler Länder.

Die Wirtschaftsvereinigung Stahl erklärte, einem effektiven Schutz
vor unfairen Stahlimporten komme eine große Bedeutung zu. «Allen
Beteiligten muss klar werden, dass der Einstieg in die Transformation
nur dann gelingt, wenn faire Wettbewerbsbedingungen auf den
internationalen Märkten geschaffen werden», sagte Präsident Hans
Jürgen Kerkhoff.

Altmaier und Dombrovskis machten außerdem deutlich, die EU setze sich
für eine Reform der Welthandelsorganisation WTO ein. Altmaier gehe
davon aus, dass sich die EU mit großer Mehrheit darauf einigen werde,
einen Kandidaten für den Posten des WTO-Chefs zu unterstützen.

Die WTO steckt in einer Krise. Ein Grund dafür ist, dass die USA das
zentrale Organ der Streitschlichtung bei Handelsdisputen blockieren.
Die WTO überwacht die Regeln für den freien Welthandel.

Ein weiteres umstrittenes Thema ist derzeit die Unterzeichnung des
ausgehandelten Freihandelsabkommens zwischen der EU und dem
südamerikanischen Staatenbund Mercosur. Hintergrund ist eine Debatte
in der EU über die Abholzung des brasilianischen Regenwaldes.
Altmaier sprach von einer «sehr schwierigen» Frage. Dombrovskis
sagte, eine gewisse Zahl von Mitgliedsstaaten habe Sorgen wegen der
Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. Diese Sorgen müssten ernst
genommen werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich
bereits skeptisch zu einer Unterzeichnung des Abkommens geäußert.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) warnte vor einem Scheitern
des Freihandelsabkommens. VDA-Präsidentin Hildegard Müller sagte, das
Abkommen würde den Autoherstellern sowie Zulieferern auf beiden
Seiten helfen und damit zur Sicherung von Arbeitsplätzen beitragen.