EU-Ratspräsidentschaft an London: Lasst die Spielereien sein

22.09.2020 13:52

Brüssel (dpa) - Die EU-Ratspräsidentschaft hat Großbritannien zu
einem Kurswechsel in den Verhandlungen über die künftigen Beziehungen
zur Europäischen Union aufgefordert. «Liebe Freunde in London, lasst
die Spielereien sein», sagte Europastaatsminister Michael Roth am
Dienstag als Vertreter der aktuellen deutschen EU-Ratspräsidentschaft
in Brüssel. Die EU sei bereit, einen fairen Deal abzuschließen, die
Zeit dafür laufe aber ab. Über die bisherigen Verhandlungsergebnisse
sei man wirklich enttäuscht.

EU-Chefunterhändler Michel Barnier will nach Angaben eines Sprechers
am Mittwoch mit seinem britischen Kollegen David Frost den Stand der
Verhandlungen besprechen und die nächste Runde kommende Woche
vorbereiten. Nächsten Montag soll zudem der gemeinsame Ausschuss zur
Umsetzung des bereits gültigen EU-Austrittsabkommens tagen.

Die britische Regierung will dieses Abkommen mit dem sogenannten
Binnenmarktgesetz teilweise aushebeln und sorgt damit für Empörung in
Brüssel. Auch Staatsminister Roth übte scharfe Kritik. Eine
Verletzung der Leitprinzipien des Austrittsabkommen sei absolut
inakzeptabel, betonte Roth. Über den Gesetzentwurf sollte das
britische Unterhaus noch am Dienstag abstimmen. Die EU fordert
dagegen ultimativ eine Abkehr von den Plänen bis spätestens 30.
September.

Großbritannien hat die EU Ende Januar verlassen, ist aber noch bis
Jahresende Mitglied des europäischen Binnenmarkts und der Zollunion.
Sollte es bis dahin keine Einigung über die künftigen
Handelsbeziehungen geben, könnte dies schwerwiegende Konsequenzen für
Unternehmen und zum Beispiel das EU-Fischereigewerbe haben. Die
EU-Seite hält einen Abschluss der Verhandlungen bis Ende Oktober für
nötig, damit ein etwaiger Vertrag noch ratifiziert werden kann.