Experten warnen Schweiz und EU vor zu laschen Corona-Maßnahmen

23.10.2020 17:34

Bern/Rom (dpa) - Wegen rasant steigenden Corona-Infektionszahlen
schrillen in der Schweiz die Alarmglocken. «Die heute geltenden
Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus», warnte der Leiter der
wissenschaftlichen Task Force des Bundes, Martin Ackermann, am
Freitag in Bern. «Wir müssen jetzt handeln. Wenn wir heute Maßnahme
n
treffen, wirken sie in zwei Wochen. Die Kapazität der Intensivbetten
ist aber in zwei bis drei Wochen erreicht.» Jede Woche verdoppelten
sich die Krankenhauseinweisungen und die Todesfälle.

Auch die europäischen Regierungschefs reagierten zu langsam, warnte
der italienische Regierungsberater Walter Ricciardi. «Sie zögern, sie
haben Angst davor, der Wirtschaft zu schaden», sagte er der Deutschen

Presse-Agentur. «Aber sie verstehen nicht, dass sie dadurch einen
doppelten Schaden verursachen.» Indem die Regierungen Beschränkungen

des öffentlichen Lebens aufschöben, seien sie später dazu gezwungen
,
über einen totalen Shutdown zu entscheiden, sagte der ehemalige
Vorsitzende des Nationalen Gesundheitsinstituts in Italien.

Bundeskanzlerin Merkel habe im Gegensatz zu anderen Politikern die
Ratschläge von Wissenschaftlern befolgt. Doch auch in Deutschland
werde die Situation sich verschlechtern, «wenn nicht entschlossen
gehandelt wird», so Ricciardi.

Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit meldete am Freitag den
Rekordwert von 6592 gemeldeten Neuansteckungen. Gemessen an der
Bevölkerung sind die Zahlen fünf mal so hoch wie in Deutschland. Am
Dienstag waren es noch gut 3000 Fälle gewesen. In der Schweiz sind
die Kantone für neue Maßnahmen zuständig. Mehrere haben bereits die
seit 1. Oktober möglichen Veranstaltungen mit mehr als 1000 Menschen
wieder verboten und andere Einschränkungen erlassen. Im Kanton Wallis
müssen Gaststätten um 22.00 Uhr schließen. Italien verzeichnete am
Freitag binnen 24 Stunden mehr als 19 000 Neuinfektionen - so viele
wie noch nie seit Beginn der Pandemie.