EU-Parlament stimmt für Agrar-Kompromiss

23.10.2020 18:54

Kurz vor der Abstimmung haben Greta Thunberg und Co. noch einmal
Druck auf die Europaabgeordneten ausgeübt. Dennoch hat eine Mehrheit
nun für einen Kompromiss zur Agrarreform gestimmt. Die Reaktionen auf
die Entscheidung könnten nicht gegensätzlicher sein.

Brüssel (dpa) - Ungeachtet der Kritik von Umweltaktivisten und
Naturschutzverbänden hat das Europaparlament seine Position zur
geplanten milliardenschweren EU-Agrarreform verabschiedet. Eine
Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Freitag einem Kompromiss zu, der
Ergebnis mehrerer Abstimmungsrunden diese Woche war. Bereits am
Mittwoch hatten sich die EU-Staaten auf eine Linie verständigt. Somit
können beide Seiten in Kürze Verhandlungen miteinander über die
Reform aufnehmen.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner begrüßte den Ausgang
der Abstimmung. «Wir verfolgen das gleiche Ziel: Ernährungssicherung
wollen wir zusammenbringen mit mehr Umwelt-, Arten- und Klimaschutz
in der Landwirtschaft», sagte Klöckner. Das sei auch der Kern des
Ratsbeschlusses der EU-Staaten.

Die Entscheidung des Parlaments sieht vor, dass künftig 30 Prozent
der Direktzahlungen für Öko-Regelungen reserviert werden. Allerdings
falle das Parlament bei der Konditionalität und der Qualität der
sogenannten Eco-Schemes noch hinter die Position der EU-Staaten
zurück, befand der Naturschutzbund Deutschland. Die EU-Staaten hatten
sich auf 20 Prozent Öko-Regelungen geeinigt. Dies sind
Umweltmaßnahmen, die über die Pflicht-Anforderungen für Bauern
hinausgehen. Erfüllt ein Landwirt sie, bekommt er zusätzliches Geld.

Weiter sieht die Parlamentseinigung vor, dass die EU-Staaten selbst
keine höheren Standards etwa beim Tier- und Umweltschutz setzen
dürfen. So sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen garantiert werden.
Die jährlichen Direktzahlungen an Landwirte, die 60 000 Euro
überschreiten, will das Parlament schrittweise kürzen und fordert
zudem eine Obergrenze von 100 000 Euro für diese.

Im Vorschlag des Parlaments ist außerdem vorgesehen, dass vier
Prozent der Direktzahlungen für die Unterstützung von Junglandwirten
verwendet werden. Wer den EU-Anforderungen wiederholt nicht
nachkommt, soll dem Entwurf zufolge härter bestraft werden: Bis zu
zehn Prozent der Ansprüche sollen gekürzt werden dürfen. Bisher sind

es fünf Prozent.

Die EU-Mitgliedsstaaten sollen nach dem Willen des Parlaments zur
Förderung der Artenvielfalt die Landwirte auffordern, zehn Prozent
ihrer Fläche für Landschaftsgestaltung zu nutzen - zum Beispiel
bepflanzt mit Hecken oder nicht landwirtschaftlich genutzten Bäumen
oder Teichen.

Der Vorsitzende des Umweltausschusses des EU-Parlaments, Pascal
Canfin, nannte das Reformpaket einen guten Kompromiss. «Das
Europäische Parlament hat den Text erheblich verbessert.» Norbert
Lins von der CDU sagte: «Die Position des Europaparlaments für eine
Agrarreform ist zeitgemäß und innovativ.»

WWF-Naturschutzvorstand Christoph Heinrich zeigte sich enttäuscht:
«Damit droht dem «Green Deal» der Kommission die Bankrotterklärung.
»
Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken sagte: «Europas
größte Chance, die Landwirtschaft fit für die Zukunft zu machen, hat

des Europäische Parlament heute fahrlässig verspielt.»

Unter #VoteThisCAPdown (auf Deutsch etwa: «Lehnt diese GAP ab»)
hatten auch Umweltaktivisten wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer
dazu aufgerufen, gegen die Position zu stimmen. Sie kritisieren vor
allem, dies sei kein Wandel hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft
und fördere das Artensterben.

Die Agrar-Subventionen sind der größte Posten im EU-Budget und für
einen großen Teil der EU-Treibhausgasemissionen verantwortlich. Für
die kommenden sieben Jahre haben die EU-Staaten rund 387 Milliarden
Euro vorgesehen. Die EU-Kommission hatte 2018 eine Reform für die
Jahre 2021 bis 2027 vorgeschlagen. Weil bis 2021 und 2022 bereits
eine Übergangsphase gilt, wird sich erst ab 2023 etwas ändern.

Ebenfalls in dieser Woche hatten sich die EU-Staaten auf eine Linie
für das Reformvorhaben verständigt. Naturschützer kritisierten
allerdings auch diesen Beschluss als völlig unzureichend.

Eine Neuerung auch hier die Öko-Regelungen. Neu soll auch sein, dass
die EU-Staaten künftig sogenannte Strategiepläne erstellen müssen,
die von der EU-Kommission geprüft werden. Die konkrete Agrarpolitik
wird somit künftig wohl in den Hauptstädten gestaltet. Die Höhe der
Agrar-Subventionen hängt weiter von der bewirtschafteten Fläche eines
Betriebs ab.

Für die Öko-Regelungen wollen die EU-Staaten zudem eine zweijährige
«Lernphase», in der das Geld letztlich doch wieder als
Pauschalzahlungen an Landwirte gehen könnte. Konkrete Vorgaben für
die Öko-Regelungen gibt es noch nicht. Der Grünen-Abgeordnete Martin
Häusling hofft, dass die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen
doch noch einen besseren Vorschlag einbringt.