Europa kämpft gegen Corona - Neue Auflagen in mehreren Ländern

26.10.2020 20:02

Neue Maßnahmen gegen Spitzenwerte: Wegen stark steigender
Infektionszahlen ziehen viele Regierungen in Europa die Zügel an. In
Frankreich wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen. In Spanien
will die Opposition wenigstens Weihnachten noch retten.

Paris (dpa) - Im Kampf gegen die zweite Corona-Welle sind am Montag
vielerorts in Europa neue Auflagen in Kraft getreten, so etwa in
Italien, Dänemark, der Slowakei und in der belgischen Hauptstadt
Brüssel. Viele Regierungen setzen auf nächtliche Ausgangssperren und
weitere Kontaktbeschränkungen, um einen kompletten Lockdown der
Länder zu vermeiden.

Nach Einschätzungen des wissenschaftlichen Rats der französischen
Regierung wird die aktuelle Corona-Welle «stärker sein als die
erste». Er sei von der «Brutalität» der Zunahme der Neuinfektione
n in
den jüngsten 15 Tagen überrascht, sagte Jean-François Delfraissy, der

Leiter des Beratungsgremiums, am Montag dem Radiosender RTL.

Delfraissy sprach von einer kritischen Lage und einer hohen
Dunkelziffer bei den Neuinfektionen: «Es gibt wahrscheinlich mehr als
50 000 Fälle pro Tag. Der wissenschaftliche Rat schätzt, dass wir
eher rund 100 000 Fälle pro Tag haben.» Davon gehe der Rat angesichts
der gemeldeten Neuinfektionen, aber auch der nicht diagnostizierten
und asymptomatischen Fälle aus. Delfraissy schloss eine Ausweitung
der bereits existierenden Ausgangssperren nicht aus.

Die Corona-Lage verschlechtert sich in dem Land mit 67 Millionen
Einwohnern seit Wochen dramatisch. Am Sonntagabend wurden erstmals
seit Beginn der großflächigen Testungen mehr als 52 000 Ansteckungen

innerhalb von 24 Stunden erfasst.

In einem anderen Corona-Hotspot, Spanien, trat in der Nacht zum
Montag eine nächtliche Ausgehsperre in Kraft. Es gab laut Medien
weder Proteste noch nennenswerte Zwischenfälle. Zur Verhängung dieser
und anderer Maßnahmen hatte die linke Regierung zuvor am Sonntag den
Notstand ausgerufen. Dieser gilt zunächst für zwei Wochen, die
Regierung strebt jedoch eine Verlängerung um sechs Monate bis zum 9.
Mai an.

Eine Verlängerung muss vom Parlament in Madrid genehmigt werden. Der
Chef der Minderheitsregierung, Pedro Sánchez, bat dafür um die nötige

Unterstützung der Opposition. Die Lage sei «extrem», warnte er. Am
Montag lehnten die Chefs der konservativen Parteien dieses Vorhaben
jedoch energisch ab. Oppositionsführer Pablo Casado sprach sich für
einen insgesamt höchstens achtwöchigen Notstand bis Mitte Dezember
aus. So könne man wenigstens «Weihnachten retten», sagte der Chef der

Volkspartei (PP).

Spanien ist eines der am schwersten von der Pandemie betroffenen
Länder Westeuropas. Bisher wurden mehr als eine Million Infizierte
registriert, knapp 35 000 Menschen starben mit Covid-19. Die Zahl der
Neuinfektionen je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen liegt bei
191,11 mit steigender Tendenz. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt
dieser Wert nach Angaben des Robert Koch-Instituts 68,4.

Am Wochenende hatten gleich mehrere EU-Staaten Rekordwerte bei der
Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus gemeldet, neben
Frankreich auch Dänemark, Belgien und Tschechien. Die europäische
Seuchenbehörde ECDC hatte bis Sonntag seit Ausbruch der Pandemie
insgesamt rund 5,9 Millionen Ansteckungen und gut 208 600 Todesfälle
im Zusammenhang mit dem Coronavirus registriert.

In ganz Italien müssen seit Montag alle Restaurants und Bars um 18.00
Uhr für Gäste schließen. Auch Kinos, Theater, Fitnessstudios, Bäder
,
Skiresorts und Konzerthallen dürfen nicht mehr öffnen. Ein Großteil
der italienischen Gymnasialschüler wird vorerst online unterrichtet.
Auch in der Slowakei müssen Schüler ab der fünften Schulstufe auf
Online-Unterricht umsteigen.

In Dänemark dürfen sich von Montag an nicht mehr als zehn Personen an
einem Ort versammeln. Kioske und Supermärkte dürfen nach 22.00 Uhr
keinen Alkohol mehr verkaufen. In der belgischen Hauptstadt Brüssel
und Umgebung gilt wieder überall Maskenpflicht, die nächtliche
Ausgangssperre beginnt dort bereits um 22.00 Uhr statt um
Mitternacht. Schwimmbäder, Sportclubs und Fitnessstudios müssen
schließen, ebenso Theater, Kinos und Museen.