Schlappe für Deutschland vor dem EuGH bei der Lkw-Maut

28.10.2020 15:51

Wofür ist die Lkw-Maut da? Für Instandhaltung und Ausbau von Straßen

und Brücken - aber nicht für die Kosten der Verkehrspolizei. Das hat
der EuGH jetzt für Deutschland klargestellt. Für den Bund könnte das

erhebliche finanzielle Folgen haben.

Luxemburg (dpa) - Schlappe für Deutschland bei der Erhebung der
Lkw-Maut: Die Kosten für die Verkehrspolizei dürfen in die Berechnung
der Höhe dieser Gebühr nicht einfließen. Das hat der Europäische
Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Mittwoch entschieden und damit
einer polnischen Spedition recht gegeben. Diese hatte in Deutschland
Klage auf Rückzahlung der Mautgebühren erhoben. Das
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster
hatte den EuGH um Klärung gebeten (Rechtssache C-321/19). Der Fall
geht jetzt zurück nach Münster, die genauen Folgen sind noch unklar.

Dem Bund könnten aber nun zum einen Mindereinnahmen drohen. Zum
anderen stellt sich die Frage, ab wann genau und wieviele Gelder
zurückerstattet werden müssen. Eine Folge des Urteils könnte sein,
dass ein sogenanntes Wegekostengutachten neu gefasst wird. Dieses ist
die Grundlage für die Mautsätze.

Im Verkehrsministerium wurde darauf hingewiesen, die Gutachten seien
bisher von der EU-Kommission nicht beanstandet worden.
Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) sprach von einem
überraschenden Urteil. Seit 2004 seien die Lkw-Mautgesetze von allen
Bundesregierungen und den jeweiligen Koalitionen ohne
kostenrechtliche Bedenken beschlossen worden. Selbst die
EU-Kommission habe die Einbeziehung der Kosten der Verkehrspolizei
nie beanstandet.

«Wir müssen abwarten und analysieren, welche Auswirkungen das Urteil
auf die Mauteinnahmen und Rückforderungen haben wird», so Lange. Die
verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kirsten
Lühmann, sagte, in einem neuen Wegekostengutachten sollten neue
Faktoren wie etwa Umweltschäden berücksichtigt werden, um
Mindereinnahmen zu verhindern. Die Einnahmen aus der Lkw-Maut
betragen bisher rund 7 Milliarden Euro im Jahr.

Laut EuGH hatte die polnische Spedition für die Nutzung der deutschen
Bundesautobahnen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli
2011 Mautgebühren in Höhe von insgesamt 12 420,53 Euro bezahlt. Deren
Gesellschafter machten als Kläger geltend, die Methode, nach der die
Mautgebühren berechnet worden seien, sei unionsrechtswidrig. Sie habe
zu einer überhöhten finanziellen Verpflichtung geführt.

Der EuGH urteilte nun, dass bei der Festsetzung der Mautgebühren
ausschließlich die Infrastrukturkosten zu berücksichtigen seien, also
die Ausgaben für Bau sowie Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des
betreffenden Verkehrswegenetzes. «Polizeiliche Tätigkeiten fallen
aber in die Verantwortung des Staates, der dabei hoheitliche
Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der
Straßeninfrastruktur handelt», urteilten die höchsten europäischen

Richter. Die Kosten der Verkehrspolizei könnten daher nicht als
Kosten für den Betrieb im Sinne der Richtlinie über die Erhebung von
Gebühren angesehen werden.

Dem EuGH zufolge wurden die Infrastrukturkosten wegen der
Einberechnung der Verkehrspolizei zwar nur um 3,8 Prozent
überschritten. Die Richtlinie stehe aber jeglicher Überschreitung der
Infrastrukturkosten durch nicht ansatzfähige Kosten entgegen, fanden
die Richter. Sie wiesen auch die Antrag Deutschlands zurück, die
Wirkung des Urteils zeitlich zu beschränken.

Der EuGH blieb mit seinem Urteil auf der Linie des Generalanwalts.
Der EuGH-Gutachter hatte in seiner Stellungnahme im Juni befunden,
dass es gegen EU-Recht verstoße, wenn auch die Kosten für die
Verkehrspolizei bei der Maut angesetzt würden.

Die Lkw-Maut wurde in Deutschland 2005 auf den Bundesautobahnen
eingeführt und inzwischen auf alle Bundesstraßen ausgeweitet. In
Zeiten der Corona-Pandemie werden wegen einer geringeren Fahrleistung
in diesem Jahr sinkende Einnahmen erwartet. Pläne für eine deutsche
Pkw-Maut wurden 2019 vom EuGH gekippt.

Der Linke-Verkehrspolitiker Jörg Cezanne sagte, auch die nächste
Mautschlappe vor dem Europäischen Gerichtshof werde teuer, mindestens
1,5 Milliarden Euro seien seit 2010 zu Unrecht eingezogen worden. «Da
die Anlastung von Kosten für die Polizei politisch vorgegeben wurde,
geht auch diese Mautrechnung voll auf die Kappe der CSU.» Der
FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic sagte, es drohten nun europaweite
Schadensersatzforderungen und Einnahmeausfälle.

Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung begrüßte,

dass grundsätzliche Fragen zum Mautberechnungsverfahren vom EuGH
geklärt worden seien. Mit der Entscheidung sei Rechtssicherheit für
Unternehmen hergestellt worden.