EU-Regeln für Mindestlöhne geplant - Deutschland müsste nachbessern

28.10.2020 14:07

Brüssel (dpa) - Für Mindestlöhne fordert die EU-Kommission erstmals
konkrete Vorgaben, die auch in Deutschland zur Anhebung der
Lohnuntergrenze führen könnten. Ziel ist, dass Geringverdiener
überall in der EU mindestens 50 Prozent des Durchschnittslohns oder
60 Prozent des sogenannten Medianlohns im eigenen Land bekommen, wie
die Kommission am Mittwoch erklärte.

Der Median wird auch mittlerer Lohn genannt und ist eine Rechengröße:
50 Prozent der Arbeitnehmer verdienen mehr, 50 Prozent weniger. In
Deutschland liegt der Mindestlohn mit derzeit 9,35 Euro pro Stunde
deutlich unter den genannten Werten.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte versprochen, dass
alle Arbeitnehmer in der Europäischen Union Mindestlöhne erhalten
sollen, mit denen sie an ihrem Wohnort angemessen leben können. Nach
Angaben der Kommission gilt jede sechste Arbeitskraft in der EU als
Geringverdiener, die Mehrheit davon Frauen. Die Lohnungleichheit ist
den Angaben zufolge ebenso gewachsen wie die Zahl der Menschen, die
trotz Arbeit arm sind.

Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Richtlinie soll
gegensteuern. Sie sieht unter anderem vier Kriterien für
«angemessene» Mindestlöhne vor: die Kaufkraft, Größenordnung und

Verteilung der Bruttolöhne, der Anstieg der Bruttolöhne sowie die
Produktivität. Deutschland und die übrigen 20 EU-Länder mit
gesetzlichen Mindestlöhnen müssten demnach die Art überprüfen, wie

Mindestlöhne festgesetzt werden. In Deutschland ist dafür eine
Mindestlohn-Kommission zuständig, in der Gewerkschafter, Arbeitnehmer
und Experten sitzen.

Die Kommission betont, dass es nicht etwa um einheitliche
Mindestlöhne in allen EU-Staaten gehe und dass vorhandene Systeme,
Traditionen und nationale Besonderheiten berücksichtigt werden. Denn
die EU-Verträge setzen Brüssel enge Grenzen: Die EU darf keine
Lohnhöhen vorgeben. Da die Kommission in etlichen der 27 Länder auf
Skepsis traf, nahm sie sich für die Vorbereitung des
Richtlinien-Entwurfs sehr viel Zeit. Über den Vorschlag müssen nun
die EU-Staaten und das Europaparlament beraten. Es könnte Jahre
dauern, bis er in Kraft tritt.