Jetzt nicht locker lassen: Von der Leyens Plan gegen die zweite Welle

28.10.2020 15:38

Die Lage ist düster - aber noch nicht verloren. So sieht Ursula von
der Leyen den Stand der zweiten Corona-Welle. Am Mittwoch stellte sie
neue Maßnahmen gegen das Virus vor. Ihre Botschaft: Wir haben es
selbst in der Hand.

Brüssel (dpa) - Angesichts stark steigender Corona-Zahlen in Europa
hat EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen die Bürger eindringlich
zum Durchhalten aufgerufen. «Die Corona-Lage ist sehr ernst», sagte
die CDU-Politikerin am Mittwoch in Brüssel. Noch habe man es selbst
in der Hand, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Ihre Behörde
machte am Mittwoch neue Vorschläge, über die ein EU-Videogipfel am
Donnerstag beraten soll.

Allein in der vergangenen Woche habe es 1,1 Millionen bestätigte
Corona-Fälle in Europa gegeben, sagte von der Leyen. «Wir erwarten,
dass diese Zahlen in den nächsten zwei bis drei Wochen weiter rapide
ansteigen.» Ihr Corona-Berater Peter Piot sagte, die Anzahl der
Covid-19-Todesfälle liege inzwischen bei 1000 pro Tag - ein Drittel
höher als in der Vorwoche.

Deshalb müssen sich aus von der Leyens Sicht nun alle zusammenreißen
- insbesondere, weil man es in dieser zweiten Welle mit zwei Feinden
zu tun habe: dem Virus selbst und einer zunehmenden Müdigkeit bei
allen Vorsichtsmaßnahmen. Jeder müsse jedoch seinen Teil der
Verantwortung übernehmen - auf persönlicher und lokaler, aber auch
auf nationaler und europäischer Ebene. «Jetzt ist nicht die Zeit,
locker zu lassen.»

Testen, aber richtig: Tests sind aus Sicht der EU-Kommission
entscheidend. Um effizienter zu werden, sollen die EU-Staaten bis
Mitte November ihre Teststrategien an die EU-Kommission schicken.
Zudem legte die Behörde eine Empfehlung für den Einsatz der neuen
Antigen-Schnelltests vor, die binnen 15 Minuten ein Ergebnis zeigen.
Diese könnten gemeinsam für die EU-Staaten beschafft werden, schlug
die Behörde vor - und will dafür 100 Millionen Euro mobilisieren.

Nachverfolgung per App: Bislang kommunizieren von den 19 Corona-Apps
in der EU nur die deutsche, die irische und die italienische
miteinander. In den kommenden Wochen sollen weitere hinzukommen. Die
EU-Kommission rief alle Länder dazu auf, kompatible Apps einzuführen
und für die Nutzung zu werben.

Informationen besser austauschen: Wo verbreitet sich das Virus gerade
in welchem Tempo? Um Fragen wie diese beantworten zu können, sind die
entsprechenden Daten entscheidend. Alle Staaten sollten deshalb der
EU-Seuchenagentur ECDC und der Kommission die Daten übermitteln.

Impfstrategien: Wohl fast alle hoffen derzeit auf einen oder mehrere
Impfstoffe gegen das Coronavirus. Dabei werden sich mit Verfügbarkeit
der ersten Impfstoffe etliche Fragen stellen: Wer wird zuerst
geimpft? Wie können die Mittel richtig gelagert werden? Deshalb
dringt die EU-Kommission die Regierungen zur Vorbereitung. Nächsten
Monat will sie die nationalen Impfstrategien überprüfen.

Medizinische Ausrüstung steuerfrei: Im Frühjahr hatte die Kommission

die Einfuhr medizinischer Ausrüstung aus Nicht-EU-Ländern
vorübergehend von Zoll- und Mehrwertsteuerzahlungen befreit. Diese
Ausnahme wurde nun bis April 2021 verlängert. Zudem schlug von der
Leyens Haus vor, dass Krankenhäuser und Ärzte im Kampf gegen Corona
keine Mehrwertsteuer auf Impfstoffe und Test-Kits zahlen müssen.

Reisen ohne Verwirrung: Bislang gelten bei Einreise in die EU-Staaten
weitgehend unterschiedliche Quarantäne- und Testpflichten. Nun will
die EU-Kommission mit den EU-Staaten an einem gemeinsamen
Quarantänekonzept arbeiten. Zudem soll bis Dezember ein einheitliches
Formular erstellt werden, das Reisende ausfüllen müssen. So sollen
mögliche Kontakte besser verfolgt werden können.

«Love is not Tourism»: Zugleich forderte die EU-Kommission die Länder

dazu auf, gegenseitige Besuche von internationalen Paaren in einer
stabilen Beziehung zu erleichtern. Derzeit gelten für die
allermeisten Staaten weltweit Einreisebeschränkungen. Deutschland und
einige andere Länder haben mittlerweile Ausnahmen für Paare
eingeführt, von denen ein Teil Nicht-EU-Bürger ist. Allerdings werden
auch die deutschen Regeln als zu kompliziert kritisiert. Online sind
viele getrennte Paar unter dem Hashtag «Love is not Tourism» aktiv.

All das kann aus Sicht der EU-Kommission dazu beitragen, die Wucht
der zweiten Welle zu bremsen. Bis zur Rückkehr zur Normalität wird es
allerdings noch lange dauern. Von der Leyen stimmte die Bürger schon
auf ungewöhnliche Feiertage ein: «Ich denke, dass Weihnachten in
diesem Jahr ein anderes Weihnachten sein wird.»