Schlappe bei der Lkw-Maut - Bund drohen Mindereinnahmen Von Klaus Blume und Andreas Hoenig, dpa

28.10.2020 15:57

Wieder ging es beim Europäischen Gerichtshof um eine deutsche Maut.
Diesmal aber nicht um die Pkw-Maut, die krachend scheiterte - sondern
um die Lkw-Maut. Laut EuGH sind die Gebühren zu hoch.

Berlin/Luxemburg (dpa) - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am
Mittwoch über die Berechnung der deutschen Lkw-Maut geurteilt. Laut
den obersten europäischen Richtern dürfen Kosten für die
Verkehrspolizei in die Berechnung der Straßennutzungsabgabe nicht
einfließen. Eine Niederlage für Deutschland.

Worum genau geht es?

Eine polnische Spedition hatte beim Oberverwaltungsgericht Münster
auf die Rückzahlung deutscher Autobahnmaut aus den Jahren 2010 und
2011 geklagt. Aus ihrer Sicht verstoßen die Mautsätze gegen die
EU-Wegekostenrichtlinie. Wichtigster Streitpunkt waren Kosten für die
Verkehrspolizei. Die deutschen Richter hatten den EuGH um Auslegung
der Richtlinie gebeten, wonach bei Mautgebühren nur
«Infrastrukturkosten» angesetzt werden dürfen.

Wie lautet das Urteil?

EuGH-Gutachter Henrik Saugmandsgaard Øe hatte bereits befunden, dass
die Kosten für den Verkehrspolizei da nicht hineingehörten. Spielraum
bei der Berechnung sah er nicht. Selbst eine geringfügige
Überschreitung der Infrastrukturkosten bei den Mautgebühren verletze
EU-Recht. Wie häufig, folgten die obersten EU-Richter am Mittwoch
ihrem Gutachter. Die Kosten der Verkehrspolizei dürften bei der
Berechnung der Mautgebühren nicht berücksichtigt werden. Die Richter
lehnten auch einen Antrag der Bundesregierung ab, mit dem die
zeitliche Wirkung eines Urteils zulasten der Bundesrepublik begrenzt
werden soll. Die Bundesrepublik hatte in der mündlichen Verhandlung
einen Betrag von 200 Millionen Euro pro Jahr für Ausgaben für die
Verkehrspolizei genannt.

Worum geht es bei der Lkw-Maut?

Die Lkw-Maut auf Bundesautobahnen wurde 2005 eingeführt. Damit wurde
laut Verkehrsministerium ein Systemwechsel vollzogen - weg von der
Steuer- und hin zur Nutzerfinanzierung des Fernstraßenbaus. Denn
gerade schwere Lastwagen verschleißen die Straßen. Inzwischen ist die
Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ausgeweitet worden. Sie gilt für
Lastwagen ab 7,5 Tonnen. Bei der Abgabe gibt es eine Differenzierung
nach dem Schadstoffausstoß der Fahrzeuge.

Ein wesentlicher Bestandteil der Infrastrukturkosten sind laut
Berechnung der Wegekosten für das Bundesfernstraßennetz für die Jahre

2018 bis 2022 Betriebs-, Unterhaltungs- und Mauteinzugskosten - sowie
Aufwendungen für die Polizei, die nun gekippt wurden.

Pläne für eine deutsche Pkw-Maut hatte der EuGH im Juni 2019
gestoppt, weil sie Fahrer aus dem Ausland benachteilige.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist deswegen schwer
unter Druck. Wegen möglichen Verstößen gegen das Haushalts- und
Vergaberecht läuft ein Untersuchungsausschuss des Bundestags.

Welche Folgen könnte das Urteil haben?

Zum einen droht, dass Deutschland Mautgebühren zurückerstatten muss.
Die Frage ist, für welchen Zeitraum genau. Nach dem Urteil des EuGH
muss über den konkreten Fall in dem Musterverfahren das
Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden. Es drohen nun aber
weitere Schadenersatzforderungen.

Zum anderen droht der Bund mitten in Zeiten angespannter Kassen durch
die Corona-Krise Einnahmen zu verlieren. Bisher werden durch die
Lkw-Maut Einnahmen von rund 7 Milliarden Euro im Jahr eingenommen,
die für die Fernstraßen verwendet werden.

Eine Folge des Urteils könnte sein, dass das Wegekostengutachten zur
Berechnung der Lkw-Mautsätze neu gefasst wird. Die verkehrspolitische
Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kirsten Lühmann, sagte, in
einem neuen Wegekostengutachten sollten neue Faktoren wie etwa
Umweltschäden berücksichtigt werden, um Mindereinnahmen zu
verhindern.