Lambrecht will mit europäischen Kollegen über Terrorismus beraten

29.10.2020 15:55

Berlin (dpa) - Nach der Gewalttat von Nizza will
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) mit europäischen
Kollegen beraten. Auf der Ebene der Sicherheitsbehörden gab es
bereits am Donnerstag Kontakte - auch um zu klären, ob womöglich mit
Nachahmertaten zu rechnen ist. In sozialen Netzwerken hatten radikale
Islamisten in den vergangenen Tagen die Enthauptung des französischen
Lehrers Samuel Paty glorifiziert, der im Unterricht
Mohammed-Karikaturen thematisiert hatte.

Lambrecht kündigte ein Gespräch mit dem französischen Justizminister

Éric Dupond-Moretti, weiteren europäischen Justizministern sowie der
Brüsseler EU-Kommission für Freitag an. «Ich bin schockiert über di
e
Nachricht von einem weiteren schrecklichen Verbrechen in Frankreich
und verurteile diese Tat aufs Schärfste», erklärte Lambrecht am
Donnerstag in Berlin. «All unsere Solidarität und Anteilnahme gilt
unseren französischen Freunden.»

Lambrecht verwies auf Einschätzungen der französischen Behörden,
wonach es sich um eine terroristische Tat handelt. Der Bürgermeister
von Nizza, Christian Estrosi gab an, der inzwischen festgenommene
Angreifer habe «Allahu akbar» («Gott ist groß») gerufen. Lambrech
t
erklärte, wenn sich die Hinweise auf islamistischen Terrorismus
bestätigten, sei dies «auch ein Anschlag auf unsere Lebensweise und
unsere zentralen Werte». Diese akute Bedrohung müsse mit aller Kraft
bekämpft werden. Darüber solle mit den anderen europäischen Ministern

gesprochen werden.

Im Januar 2015 hatten Islamisten die Redaktion des französischen
Satiremagazins «Charlie Hebdo» gestürmt und zwölf Menschen
erschossen. Zum Prozessauftakt gegen mutmaßliche Helfer der
Attentäter im September veröffentlichte das Magazin in einem
Sonderheft erneut Karikaturen, die Mohammed, den Propheten des Islam,
zeigen. Kurze Zeit später rief die Terrorgruppe Al-Kaida auf der
Arabischen Halbinsel Einzeltäter zu Anschlägen in Europa auf.

Bei der Messerattacke in Nizza wurden nach einer vorläufigen Bilanz
drei Menschen getötet und sechs weitere verletzt, wie Polizeikreise
der Deutschen Presse-Agentur in Paris auf Anfrage bestätigten.

Nach Einschätzung von Innenexperten ist die Gefahr
islamistisch-terroristischer Anschläge in Deutschland gleichbleibend
hoch. Auch bei dem Messerangriff auf zwei Männer in Dresden am 4.
Oktober wird ein islamistisches Motiv vermutet. In Untersuchungshaft
sitzt ein junger Syrer. Einer der beiden Männer starb nach der
Attacke. Der mutmaßliche Täter war von den Sicherheitsbehörden vor
der Tat zeitweise überwacht worden. Der stellvertretende
FDP-Fraktionschef Stephan Thomae sagte: «Der Rechtsstaat ist alles
andere als wehrlos.» Verbessert werden müssen die intensive
Beobachtung gewaltbereiter Islamisten, die Kooperation mit
ausländischen Nachrichtendiensten und eine konsequente
Strafverfolgung sowie die Möglichkeit, Vereine und Versammlungen zu
verbieten.