EZB-Chefvolkswirt Lane: Sind bei Zinsen nicht an der Untergrenze

23.11.2020 09:36

Frankfurt/Main (dpa) - Europas Währungshüter schließen eine weitere
Verschärfung des Negativzinses nicht aus. «Wir glauben nicht, dass
wir uns an der Untergrenze befinden. Wir glauben, dass es in Zukunft
Raum für weitere Kürzungen gibt», sagte der Chefvolkswirt der
Europäischen Zentralbank (EZB), Philip R. Lane, in einem am Montag
von der Notenbank veröffentlichten Interview mit der französischen
Zeitung «Les Echos». «Wir glauben immer noch, dass eine Senkung der
Zinssätze eine gangbare Option ist.»

Seit Mitte Juni 2014 müssen Geschäftsbanken Zinsen zahlen, wenn sie
Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Aktuell liegt
dieser Einlagenzins - im Fachjargon Einlagefazilität - bei minus 0,5
Prozent. Auch wenn es inzwischen Freibeträge für bestimmte Summen
gibt, bleibt dies aus Sicht der Branche eine Milliardenbelastung. Der
Leitzins im Euroraum liegt auf dem Rekordtief von null Prozent.

«Wir müssen uns jedoch entscheiden, welche Instrumente derzeit am
effektivsten sind», sagte Lane. Als besonders wirkungsvoll haben sich
nach Einschätzung der Währungshüter in der Corona-Krise das
milliardenschwere Notkaufprogramm für Wertpapiere (Pandemic Emergency
Purchase Programme/PEPP) sowie besonders günstige Langfristkredite
für Geschäftsbanken (TLTRO) erwiesen.

Angesicht der Verschärfung der Pandemie bereitet die Notenbank
weitere Notfallmaßnahmen vor. Für die Dezember-Sitzung des EZB-Rates
(10.12.) ist eine «gründliche Neubeurteilung» der Lage angekündigt.


Das Anleihenkaufprogramm PEPP hat derzeit ein Volumen von 1,35
Billionen Euro und soll nach bisheriger Planung bis mindestens Ende
Juni 2021 laufen. «Wir werden das Programm nicht beenden bevor
bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Zunächst einmal darf die Pandemie
die normale Wirtschaftstätigkeit nicht länger beeinträchtigen»,
bekräftigte Lane. «Wir müssen auch andere Bedingungen in Bezug auf
die wirtschaftliche Erholung und die Inflationsdynamik erfüllen, aber
dafür ist es noch zu früh.»