Affront gegen die EU: Briten verweigern Diplomaten üblichen Status

21.01.2021 16:38

Boris Johnsons Regierung folgt dem Vorbild des ehemaligen
US-Präsidenten Donald Trump und verweigert dem EU-Botschafter die
Anerkennung als Diplomat. Die Empörung in Brüssel ist groß.

London/Brüssel (dpa) - Die britische Regierung will der EU-Vertretung
in London nicht den üblichen diplomatischen Status gewähren. Wie der
Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag aus dem Auswärtigen Dienst der
EU bestätigt wurde, sollen die Entsandten aus Brüssel wie Mitarbeiter
einer internationalen Organisation behandelt werden. Damit hätten sie
im Gegensatz zu den internationalen Gepflogenheiten nicht den Status
von Vertretern eines souveränen Staates.

Relevant ist dies, weil der diplomatische Rang eines Botschafters zum
Beispiel ausschlaggebend dafür ist, zu welchen Ereignissen er
eingeladen oder wo er dort platziert wird. In der Diplomatie haben
solche protokollarische Fragen große Bedeutung. So kann die
Einstufung als Zeichen der Geringschätzung gewertet werden.

Im Auswärtigen Dienst wird deshalb mit Unverständnis auf das
britische Vorgehen reagiert. Als das Vereinigte Königreich noch
Mitglied der EU gewesen sei, habe es unterstützt, dass die
EU-Delegationen wie die Vertretungen von Nationalstaaten behandelt
werden, sagte ein Sprecher. Die Europäische Union sei keine
«typische» internationale Organisation. Alle der derzeit 143
EU-Vertretungen hätten den Status diplomatischer Vertreter von
Staaten.

Aus dem britischen Außenmisterium hieß es, die EU-Diplomaten würden
«die Privilegien und Immunitäten erhalten, die für sie notwendig
sind, um ihre Arbeit im Vereinigten Königreich effektiv auszuführen».

Ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson sagte, die Gespräche
dauerten an. Das Ziel sei, dass sich Diplomaten im Land willkommen
fühlten.

Der ehemalige Brexit-Unterhändler der EU, Michel Barnier, mahnte
London zur Vorsicht. «Wir werden sehen, was die endgültige
Entscheidung Großbritanniens in dieser Frage ist. Aber sie müssen
vorsichtig sein», so Barnier bei einer Online-Preisverleihung am
Donnerstag. Der Franzose wurde von der irischen Organisation European
Movement Ireland als «Europäer des Jahres» ausgezeichnet. Er fügte

hinzu: «Es wäre weise für Großbritannien, eine kluge Lösung zu
finden.»

Der britische Tory-Abgeordnete und Vorsitzende des
Verteidigungsausschusses, Tobias Ellwood, kritisierte die
Entscheidung seiner Regierung als «einfach nur kleinkariert». Während

sich der neue US-Präsident dazu bekannt habe, Allianzen zu stärken,
beschäftige sich Großbritannien mit kindischen Zänkereien. «Da steh
en
wir eigentlich drüber», so Ellwood auf Twitter.

Die BBC zitierte am Donnerstag aus einem Schreiben des
EU-Außenbeauftragten Josep Borrell an den britischen Außenminister
Dominic Raab. Er äußert darin «schwere Besorgnis» über die
Entscheidung Londons. Der Vorschlag für den Status der EU-Vertretung
sehe nicht die «üblichen Privilegien und Immunitäten für die
Delegation und ihre Mitarbeiter» vor. Weder der besondere Charakter
der EU, noch das künftige Verhältnis zwischen London und Brüssel
würden darin ausreichend gewürdigt, so Borrell dem Bericht zufolge.
Es handele sich nicht um eine vernünftige Basis, um eine Einigung zu
erreichen.

Großbritannien hat die EU am 31. Januar 2020 verlassen. Zum
Jahreswechsel vollzog das Land auch den Austritt aus der Zollunion
und dem Binnenmarkt.

Zuletzt hatte vor rund zwei Jahren die US-Regierung unter Präsident
Donald Trump den diplomatischen Status der EU-Vertretung in
Washington zeitweise herabgestuft. Nach scharfen Protesten aus
Brüssel nahm sie die Entscheidung allerdings wieder zurück.