Nach Krieg von 2008: Georgien feiert Sieg vor Gericht gegen Russland

21.01.2021 19:07

Straßburg/Moskau/Tiflis (dpa) - Georgien hat zwölf Jahre nach dem
Südkaukasuskrieg gegen Russland vor dem Europäischen Gerichtshof für

Menschenrechte in Straßburg einen späten «Sieg» gefeiert. Die Richt
er
gaben in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil Georgien Recht
mit seiner Klage, dass Russland nach Ende der Kämpfe, die vom 8. bis
12. August 2008 dauerten, für «unmenschliche» Handlungen gegen
georgische Zivilisten verantwortlich sei. Anzulasten ist demnach
Russland auch die Misshandlung georgischer Kriegsgefangener.

Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili wertete das Urteil
als einen «Sieg» der Gerechtigkeit. Den Krieg selbst hatte das Land
verloren. «Straßburg hat ein historisches Urteil gesprochen», sagte
die Staatschefin bei einem Besuch in Brüssel. Auch in der georgischen
Hauptstadt Tiflis (Tbilissi) begrüßten namhafte Politiker das Urteil.


Die Richter hatten nach eigener Darstellung mehrere Zeugen vernommen
und zahlreiche Dokumente gesichtet. Sie kamen demnach zwar zu dem
Schluss, dass für die Zeit des fünftägigen Krieges Russland nicht
verantwortlich gemacht werden könne für Menschenrechtsverstöße. Nac
h
dem Waffenstillstand aber seien die russischen Behörden zuständig
gewesen für die Lage in der Konfliktregion. Georgien hingegen hatte
in dem Krieg gegen Russland die Kontrolle über seine abtrünnigen
Regionen Abchasien und Südossetien verloren.

Nach dem Urteil hat Russland etwa Plündereien, Brandschatzungen,
Misshandlungen und Folter durch südossetische Kräfte zugelassen. Weil
Russland die Kontrolle hatte über Südossetien und Abchasien, hätte es

auch die Menschenrechtskonvention durchsetzen müssen. «Solche
Handlungen waren besonders schwerwiegend, weil sie gegen
Kriegsgefangene verübt wurden, die einen besonderen Schutzstatus nach
internationalem humanitären Recht hatten», heißt es in dem Urteil.
Auch beim Schutz der Zivilisten «waren die Schritte der russischen
Behörden unzureichend».

Konkret zitiert wird ein Fall, in dem 160 georgische Staatsbürger,
die meisten Ältere und Frauen, vom 10. bis 27. August 2008 von
südossetischen Kräften in der Hauptstadt Zchinwali in einem Keller
des Innenministeriums festgehalten wurden. Russland hatte Abchasien
und Südossetien nach dem Krieg gegen internationalen Protest als
unabhängige Staaten anerkannt und dort Tausende Soldaten stationiert.
Völkerrechtlich gehören die Gebiete zu Georgien.