Corona: EU-Staaten wollen Reisen bremsen - Frankreich verlangt Tests Von Michel Winde und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

22.01.2021 03:45

Die Sorge wegen neuer Coronavirus-Varianten in der EU ist groß. Nicht
notwendige Reisen sollen deshalb möglichst unterbleiben. Vor Verboten
schrecken die EU-Staaten bei ihrem Videogipfel aber noch zurück.

Brüssel (dpa) - Reisen könnte mit neuen Corona-Auflagen in Europa
bald noch mühsamer werden. Erwogen würden weitere Beschränkungen,
berichtete EU-Ratschef Charles Michel nach einem Videogipfel der
Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am
Donnerstagabend. Zur Debatte stehen neue Test- und
Quarantänepflichten für Menschen aus «dunkelroten Zonen» mit sehr
hohen Corona-Fallzahlen. Frankreich plant solche Pflichten bereits ab
Sonntag für die meisten europäischen Reisenden.

Die Staats- und Regierungschefs sähen die Lage wegen der neuen,
ansteckenderen Varianten des Coronavirus als sehr ernst, erklärte
Michel nach der rund vierstündigen Videokonferenz. Man kämpfe an zwei
Fronten: Beschleunigung der Impfungen in Europa und Eindämmung des
Virus. Die EU-Gesundheitsagentur ECDC stuft das Risiko durch die
Verbreitung der neuen Varianten inzwischen als hoch/sehr hoch ein -
also höher als bislang.

Die Grenzen in der EU sollten offen bleiben, um den Transport
wichtiger Güter und die Dienstleistungsfreiheit im EU-Binnenmarkt zu
sichern, sagte Michel. «Es sollte keine undifferenzierten
Reisesperren geben.» Gleichwohl seien weitere Beschränkungen für
nicht unabdingbare Reisen womöglich notwendig, um die Ausbreitung des
Virus zu bremsen.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erläuterte, ihre Behörde
wolle eine Erweiterung der bereits bestehenden Corona-Ampel-Karte
vorschlagen. Demnach soll für Regionen, in denen sich das Coronavirus
sehr stark verbreitet, eine neue «dunkelrote» Kategorie eingeführt
werden. Auf der bestehenden Karte werden Regionen auf Grundlage
gemeinsamer Kriterien je nach Infektionsgeschehen schon jetzt
entweder grün, orange oder rot markiert.

Von Personen, die künftig aus den dunkelroten Zonen verreisen wollen,
könne vor der Abreise ein Test verlangt werden sowie Quarantäne nach
der Ankunft, sagte von der Leyen. Von nicht notwendigen Reisen solle
dringend abgeraten werden. Auch Geimpfte können absehbar nicht mit
Erleichterungen beim Reisen rechnen. Zwar wollen die 27 Staaten an
einem gemeinsamen Impfpass arbeiten. Die Debatte über mögliche damit
verbundene Vorteile wurde jedoch vertagt.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte nach Angaben aus
Regierungskreisen an, dass europäische Reisende bei der Einreise nach
Frankreich künftig einen Corona-Test vorweisen müssen. Dieser
PCR-Test dürfe nicht älter als 72 Stunden sein. Die Regelung gelte ab
Sonntag um 00.00 Uhr. Ausnahmen seien für «essenzielle» Reisen
vorgesehen - das betreffe vor allem Grenzgänger und den Warenverkehr.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor dem Gipfel für eine engere
Kooperation mit den EU-Staaten geworben, aber auch Kontrollen an den
deutschen Grenzen nicht völlig ausgeschlossen. «Wenn ein Land mit
einer vielleicht doppelt so hohen Inzidenz wie Deutschland alle
Geschäfte aufmacht, während sie bei uns noch geschlossen sind, dann
hat man natürlich ein Problem», sagte sie in Berlin.

Zu den in der EU erst langsam anlaufenden Impfungen sagte Michel, die
Staats- und Regierungschefs wollten eine Beschleunigung. Es solle
aber bei dem Prinzip bleiben, dass die Impfstoffe in der EU
gleichzeitig und nach Bevölkerungsstärke verteilt werden.

Beim Videogipfel habe es viele Fragen zur Transparenz und zu
Lieferplänen für die verschiedenen Impfstoffe gegeben, berichtete ein
EU-Vertreter. Weil die Unternehmen Biontech und Pfizer kurzfristig
weniger Impfstoff als geplant liefern können, wurden in Deutschland
zum Teil Impftermine abgesagt.

Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz schrieb auf Twitter, beim
Videogipfel seien sich alle einig gewesen, dass Impfstoffe so schnell
wie möglich ausgeliefert werden müssten. Er erwarte die Zulassung des
Impfstoffs von Astrazeneca spätestens nächste Woche.

Die EU-Kommission drängt die 27 Staaten zu ehrgeizigen Zielen. Bis
zum Sommer sollen 70 Prozent der Erwachsenen in der EU gegen das
Virus immunisiert sein, bis März 80 Prozent jener Menschen, die über
80 Jahre alt oder im Pflege- und Gesundheitsdienst tätig sind. Merkel
bekräftigte lediglich, dass man allen in Deutschland bis zum Ende des
Sommers - also bis zum 21. September - ein Impfangebot machen wolle.