Bundesregierung stuft mehr als 20 Länder als Hochrisikogebiete ein Von Michel Winde, Michael Fischer und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

22.01.2021 18:54

Bleibt zuhause: Das Motto gilt wegen der Pandemielage in ganz Europa.
Die EU-Staaten wollen das Reisen noch unattraktiver machen.
Deutschland schreitet dabei voran und verschärft die Regeln für zwei
Dutzend Staaten, darunter ein Nachbarland und beliebte Urlaubsziele.

Berlin/Brüssel (dpa) - Wegen besonders hoher Corona-Infektionszahlen
hat die Bundesregierung erstmals mehr als 20 Länder als
Hochrisikogebiete mit verschärften Einreiseregeln eingestuft. Wie das
Robert Koch-Institut am Freitag auf seiner Internetseite mitteilte,
gehören dazu das Nachbarland Tschechien, die Urlaubsländer Spanien,
Portugal und Ägypten sowie die USA und Israel. Für Einreisende aus
diesen Ländern mit deutlich höheren Infektionszahlen als in
Deutschland gilt ab Sonntag eine strengere Testpflicht und auch die
Ausnahmeregeln für die Quarantäne können von den Bundesländern
verschärft werden.

Am Donnerstag hatten sich bereits die Staats- und Regierungschefs der
Europäischen Union darauf verständigt, wegen der Gefahr durch neue
Varianten des Coronavirus vermeidbare Reisen weitestgehend
auszubremsen, die Grenzen für Waren und Pendler aber offen zu halten.
Es ging dabei unter anderem um Test- und Quarantänepflichten für
Menschen aus «dunkelroten Zonen» mit sehr hohen Corona-Fallzahlen.
Diese Kategorie soll auf EU-Ebene neu eingeführt werden. In
Deutschland gibt es dazu bereits seit dem 14. Januar eine neue
Einreiseverordnung, auf deren Grundlage jetzt die Hochrisikogebiete
benannt wurden.

Damit gibt es jetzt drei Kategorien von Corona-Risikogebieten:

- «Normale» Risikogebiete: Das sind Länder oder Regionen über einem

Grenzwert (auch Inzidenzwert genannt) von 50 Neuinfektionen auf 100
000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. Das gilt derzeit für
fast ganz Europa mit Ausnahme einzelner Gebiete in Griechenland,
Finnland, Norwegen, Österreich und Dänemark. Weltweit sind weit mehr
als 100 Länder Risikogebiete.

- «Hochinzidenzgebiete»: Das sind Länder mit deutlich höheren
Infektionszahlen als in Deutschland. Der Grenzwert ist eine Inzidenz
von 200 (Inzidenz in Deutschland: 115). Es können aber auch Länder
unter dieser Marke unter bestimmten Bedingungen zu
«Hochinzidenzgebieten» erklärt werden. Ab Sonntag fallen neben den
bereits genannten Staaten folgende Länder in die diese Kategorie:
Albanien, Andorra, Bolivien, Bosnien und Herzegowina, Estland, Iran,
Israel und die Palästinensischen Gebiete, Kolumbien, Kosovo,
Lettland, Libanon, Litauen, Mexiko, Montenegro, Nordmazedonien,
Panama, Portugal, Serbien, Slowenien und die Vereinigten Arabischen
Emirate.

- Virusvarianten-Gebiete: Das sind Gebiete, in denen hochansteckende
Varianten des Coronavirus aufgetreten sind. Bisher fallen
Großbritannien, Irland, Südafrika und Brasilien in diese Kategorie.

Reisende aus «normalen» Risikogebieten müssen sich spätestens 48
Stunden nach Einreise in Deutschland auf Corona testen lassen. Zudem
müssen sie zehn Tage in Quarantäne, können sich davon allerdings
durch einen zweiten negativen Test ab Tag fünf vorzeitig befreien
lassen. Der Unterschied bei den Hochinzidenz- und
Virusvarianten-Gebieten: Der Test muss bereits höchstens 48 Stunden
vor Einreise erfolgen. Außerdem können die Ausnahmeregeln für die
Quarantäne eingeschränkt werden. Das ist aber Sache der einzelnen
Bundesländer.

Mit den neuen Regeln werden Reisen ins Ausland noch unattraktiver,
als sie ohnehin schon sind. Das ist aber politisch auch so gewollt.
Ein Beispiel: Wer aus privaten Gründen für eine Woche von Berlin nach
Prag reisen will muss Folgendes auf sich nehmen: 

- Corona-Test (PCR) vor Einreise nach Tschechien oder spätestens fünf

Tage danach, dann aber Quarantäne bis zum Test.

- Corona-Test (PCR) 48 Stunden oder weniger vor Rückkehr nach
Deutschland.

- Zehn Tage Quarantäne in Deutschland, von der man sich nach fünf
Tagen mit einem dritten Test befreien kann.

Unter dem Strich bedeutet das also 5 bis 15 Tage Quarantäne und zwei
bis drei Tests, die man in Deutschland kaum für weniger als 50 Euro
bekommt, für eine einwöchige Reise.

Nach dem EU-Gipfel in Brüssel verwies EU-Ratspräsident Charles Michel
auf den Ernst der Lage wegen der neuen, ansteckenderen
Virusvarianten, die zuerst in Großbritannien und Südafrika entdeckt
worden waren. Man kämpfe an zwei Fronten: Beschleunigung der
Impfungen in Europa und Eindämmung des Virus.

So wurde verabredet, viel häufiger gezielt nach den Virusmutationen
zu suchen. Die Grenzen in der EU sollten offen bleiben, um den
Transport wichtiger Güter und den EU-Binnenmarkt zu sichern, sagte
Michel. «Es sollte keine undifferenzierten Reisesperren geben.» Doch
seien womöglich weitere Reisebeschränkungen nötig.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen will dazu eine Erweiterung
der bestehenden Corona-Ampel-Karte vorschlagen. Demnach soll für
Regionen, in denen sich das Coronavirus sehr stark verbreitet, eine
neue «dunkelrote» Kategorie eingeführt werden. Auf der bestehenden
Karte werden Regionen auf Grundlage gemeinsamer Kriterien je nach
Infektionsgeschehen derzeit grün, orange oder rot markiert.

Von Personen, die künftig aus den dunkelroten Zonen innerhalb der EU
verreisen wollen, könnten vor der Abreise ein Test sowie nach der
Ankunft eine Quarantäne verlangt werden, sagte von der Leyen. Von
nicht notwendigen Reisen solle dringend abgeraten werden.

Auch Geimpfte können absehbar nicht mit Erleichterungen beim Reisen
rechnen. Zwar wollen die 27 Staaten an einem gemeinsamen Impfpass
arbeiten. Die Debatte über mögliche damit verbundene Vorteile wurde
jedoch vertagt.

Letztlich liegen die Bestimmungen und Vorgaben für Reisende immer in
der Hand der EU-Staaten. Der Zweck der jetzt geplanten gemeinsamen
Standards ist vor allem, unterschiedliche Handhabe in Grenzgebieten
zu vermeiden: bei ähnlicher Infektionslage sollen vergleichbare
Maßnahmen getroffen werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor dem Gipfel Grenzkontrollen
nicht völlig ausgeschlossen und gesagt: «Wenn ein Land mit einer
vielleicht doppelt so hohen Inzidenz wie Deutschland alle Geschäfte
aufmacht, während sie bei uns noch geschlossen sind, dann hat man
natürlich ein Problem.»