EU-Außenminister beraten über Reaktion auf Ereignisse in Russland

25.01.2021 04:30

Sollte die EU Im Fall Nawalny den Druck auf Russland erhöhen? Und
wenn Ja, wie? Um diese Frage geht es an diesem Montag bei Beratungen
der EU-Außenminister. Die Ereignisse des Wochenendes dürften vor
allem Befürwortern einer harten Linie helfen.

Brüssel (dpa) - Die Außenminister der EU-Staaten beraten an diesem
Montag in Brüssel über mögliche Reaktionen auf Russlands Vorgehen
gegen Alexej Nawalny und dessen Anhänger. Bereits in der vergangenen
Woche hatten Vertreter von Mitgliedstaaten neue EU-Sanktionen wegen
der Inhaftierung des Oppositionsführers als realistische Option
bezeichnet. Das Vorgehen der russischen Behörden gegen
Demonstrationen für die Freilassung Nawalnys am Wochenende dürfte den
politischen Druck nun noch einmal erhöhen.

Bei den Protesten am Samstag waren nach Angaben von Bürgerrechtlern
in über 100 russischen Städten mehr als 3500 Menschen festgenommen
worden. In Moskau und St. Petersburg prügelten und traten
Uniformierte auf Demonstranten ein. Vorübergehend in Polizeigewahrsam
kamen in Russland erstmals auch Nawalnys Ehefrau Julia und zum
wiederholten Mal seine Mitarbeiterin Ljubow Sobol. Viele von Nawalnys
Mitarbeitern waren schon vor den Protesten festgenommen und zu
mehrtägigem Arrest verurteilt worden.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte bereits am Wochenende,
er bedauere die zahlreichen Festnahmen, den unverhältnismäßigen
Einsatz von Gewalt und die Einschränkung von Internet- und
Telefonverbindungen.

Für eine schnelle und deutliche Reaktion gegenüber Russland werben in
der EU vor allem östliche Mitgliedstaaten wie Estland, Litauen und
Lettland. Andere sind allerdings zurückhaltender und wollen erst
einmal abwarten, ob Nawalny länger in Haft gehalten wird. Eine
endgültige Entscheidung über neue Sanktionen wird deswegen noch nicht
an diesem Montag erwartet. Das nächste Gerichtsverfahren gegen
Nawalny ist für den 2. Februar angesetzt.

Nawalny war am vergangenen Montag in Russland in einem umstrittenen
Eil-Gerichtsverfahren zunächst zu 30 Tagen Haft verurteilt worden,
weil er gegen Meldeauflagen in einem früheren Strafverfahren
verstoßen haben soll. Der Oppositionspolitiker hatte sich zuvor zur
Rückkehr in seine Heimat entschieden, obwohl er dort im August Opfer
eines Anschlags mit dem als Chemiewaffe verbotenen Nervengift
Nowitschok geworden war.

Wegen des Anschlags auf Nawalny, der danach in Deutschland behandelt
wurde, hatte die EU bereits im vergangenen Jahr Einreise- und
Vermögenssperren gegen mutmaßliche Verantwortliche aus dem Umfeld von
Präsident Wladimir Putin verhängt. In Brüssel wird davon ausgegangen,

dass staatliche Stellen in Russland hinter dem Attentat stehen.
Nawalny selbst sieht ein «Killerkommando» des russischen
Inlandsgeheimdienstes FSB unter Putins Befehl hinter dem Attentat vom
20. August. Putin und der FSB weisen die Anschuldigungen zurück.
Russland verbittet sich eine Einmischung in innere Angelegenheiten
und hat auf die EU-Sanktionen mit Einreisesperren gegen Vertreter des
deutschen Regierungsapparats geantwortet.

Weitere Themen des EU-Außenministertreffens sind die Beziehungen zur
Türkei und zu Großbritannien. Zudem soll es eine Videokonferenz mit
dem japanischen Außenminister Toshimitsu Motegi geben. Für
Deutschland wird Bundesaußenminister Heiko Maas zu den Gesprächen in
Brüssel erwartet.

Aus dem Europaparlament kamen zu den Beratungen über den Fall Nawalny
und die Demonstrationen klare Forderungen. Der CSU-Politiker und
EVP-Fraktionschef Manfred Weber sagte dem Redaktionsnetzwerk
Deutschland (RND), die EU-Außenminister dürften sich nun nicht mehr
«wegducken» und es bei allgemeinen Appellen belassen. Dass die
russische Führung versuche, mit den aufkeimenden Protesten kurzen
Prozess zu machen, sei nicht akzeptabel.

Weber sprach sich konkret dafür aus, Geldströme von Putins
Gefolgsleuten im Ausland zu unterbrechen. Ebenso müsse ein Stopp des
umstrittenen Pipeline-Projekts Nord Stream 2 «auf dem Tisch bleiben».

Auch ins Ausland geflüchtete prominente russische Oppositionelle
hatten weitere EU-Sanktionen gefordert. «Jagt sie, verfolgt ihre
Geldströme», sagte der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow übe
r
Oligarchen und Freunde Putins. Die Gesetze lägen bereit, um die
Vermögen von Putins milliardenschweren Freunden im Westen zu sperren.

In Moskau wurden nach den teils schweren Zusammenstößen vom
Wochenende mehrere Strafverfahren eröffnet - gegen Demonstranten.
Ihnen werde Gewalt gegen staatliche Vertreter vorgeworfen, teilten
die Ermittler am Sonntagabend mit.