Maas fordert Freilassung von in Russland festgenommenen Demonstranten

25.01.2021 10:59

Sollte die EU im Fall Nawalny den Druck auf Russland erhöhen? Und
wenn ja, wie? Um die Antwort auf diese Frage ringen seit den jüngsten
Ereignissen Deutschland und die anderen Mitgliedstaaten. Eine Option
ist die Anwendung eines neuen Sanktionsinstruments.

Brüssel (dpa) - Bundesaußenminister Heiko Maas hat die sofortige
Freilassung der bei den Protesten in Russland festgenommenen Anhänger
des Kremlkritikers Alexej Nawalny gefordert. «Auch nach der
russischen Verfassung hat in Russland jeder das Recht, seine Meinung
zu äußern und zu demonstrieren», sagte der SPD-Politiker am Montag zu

Beratungen mit EU-Kollegen in Brüssel. Das Land habe sich zur
Einhaltung von rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichtet. Deshalb
erwarte man, dass diejenigen, die friedlich protestiert hätten,
unverzüglich wieder freigelassen würden.

Bei den in der Corona-Krise nicht genehmigten Demonstrationen für die
Freilassung des vor einer Woche inhaftierten Oppositionsführers
Nawalny waren am Samstag nach Angaben von Bürgerrechtlern in mehr als
100 russischen Städten mehr als 3500 Menschen festgenommen worden.
Viele von Nawalnys Mitarbeitern waren zudem schon vor den Protesten
festgenommen und zu mehrtägigem Arrest verurteilt worden.

Zu möglichen Reaktionen der EU auf das Vorgehen der russischen
Behörden gegen Nawalny und dessen Anhänger sagte Maas am Montag
zunächst nichts. Für eine schnelle und deutliche Reaktion gegen
Russland werben vor allem östliche Mitgliedstaaten wie Estland,
Litauen und Lettland. Andere sind allerdings zurückhaltender und
wollen erst einmal abwarten, ob Nawalny länger in Haft gehalten wird.
Eine endgültige Entscheidung über neue Sanktionen wird deswegen noch
nicht an diesem Montag erwartet. Das nächste Gerichtsverfahren gegen
Nawalny ist für den 2. Februar angesetzt.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte dazu: «Ein
freier Nawalny wäre der Start und auch die Gelegenheit für eine neue,
für eine bessere Beziehung zwischen der Europäischen Union und
Russland.» Dies würde Russland, Europa und der ganzen Welt gut tun.
«Wir würden heute und morgen über Kooperation mit Russland reden
anstatt über Sanktionen», sagte Asselborn.

Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis schlug vor, ein neues,
im vergangenen Jahr geschaffenes EU-Sanktionsinstrument zu nutzen, um
den Druck auf die Führung in Moskau zu erhöhen. «Ich denke, dass es
eine klare und entschiedene Botschaft braucht», sagte er. Die EU
müsse klarmachen, dass sie Menschenrechtsverletzungen nicht toleriert
- egal ob sie in Minsk, Hongkong oder Moskau verübt werden.

Die neue Regelung ermöglicht es, Vermögenswerte von Akteuren
einzufrieren, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begehen
oder davon profitieren. Zudem können gegen Personen auch
Einreiseverbote verhängt werden. Bislang konnten
Menschenrechtsverletzungen nur im Zusammenhang mit Strafmaßnahmen
gegen Staaten oder im Rahmen von speziellen Sanktionsregimen geahndet
werden, die die EU zum Beispiel im Kampf gegen Cyberangriffe und den
Einsatz von Chemiewaffen geschaffen hat.

Das hat eine Reaktion der EU auf Menschenrechtsverletzungen bislang
kompliziert oder unmöglich gemacht - so zum Beispiel im Fall der
grausamen Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudi-arabischen
Konsulat in Istanbul.

Nawalny war am Montag vergangener Woche in Russland zunächst zu 30
Tagen Haft verurteilt worden, weil er gegen Meldeauflagen in einem
früheren Strafverfahren verstoßen haben soll. Der
Oppositionspolitiker hatte sich zuvor zur Rückkehr in seine Heimat
entschieden, obwohl er dort im August Opfer eines Anschlags mit dem
als Chemiewaffe verbotenen Nervengift Nowitschok geworden war.

Wegen des Anschlags auf Nawalny, der danach in Deutschland behandelt
wurde, hatte die EU bereits im vergangenen Jahr auf Grundlage des
Chemiewaffen-Sanktionsregimes Einreise- und Vermögenssperren gegen
mutmaßliche Verantwortliche aus dem Umfeld von Präsident Wladimir
Putin verhängt. In Brüssel wird davon ausgegangen, dass staatliche
Stellen in Russland hinter dem Attentat stehen. Nawalny selbst sieht
ein «Killerkommando» des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB unter
Putins Befehl hinter dem Attentat vom 20. August.

Putin und der FSB weisen die Anschuldigungen zurück. Russland
verbittet sich eine Einmischung in innere Angelegenheiten und hat auf
die EU-Sanktionen mit Einreisesperren gegen Vertreter des deutschen
Regierungsapparats geantwortet.