Knapper Corona-Impfstoff: Brüssel will Erfassung der Exporte

25.01.2021 15:56

Die EU-Kommission steht in der Kritik, weil bisher wenig
Corona-Impfstoff zur Verfügung steht. Nun macht sie selber Druck:
Exportieren Hersteller womöglich lieber als an die EU zu liefern?

Brüssel (dpa) - Wegen der Knappheit bei Corona-Impfstoffen sollen
alle Exporte solcher Mittel aus der Europäischen Union künftig
erfasst und genehmigt werden. Die EU-Kommission schlug dafür am
Montag ein sogenanntes Transparenzregister vor. Zugleich machte die
Brüsseler Behörde Druck beim Hersteller Astrazeneca, zugesagte
Impfstoffmengen ohne Abstriche und ohne Verzug zu liefern.

Die Kommission steht selbst in der Kritik, weil sie Rahmenverträge
mit den Herstellern ausgehandelt hat, vorerst aber nur relativ wenig
Corona-Impfstoff in den 27 Ländern ankommt. Die Impfkampagne lahmt,
während sich neue Virus-Varianten ausbreiten und die Staaten das
tägliche Leben und auch das Reisen weiter einschränken.

Nach dem Hersteller Pfizer hatte am Freitag auch der Pharmakonzern
Astrazeneca verringerte Lieferungen an die EU angekündigt. Die
Kommission reagierte verärgert und hielt am Montag dagegen. So
telefonierte Präsidentin Ursula von der Leyen mit Astrazeneca-Chef
Pascal Soriot und stellte nach Angaben eines Sprechers klar, dass die
EU auf den vertraglich zugesicherten Lieferungen besteht: «Wir
erwarten von der Firma, Lösungen zu finden und alle möglichen
Spielräume auszunutzen, um schnell zu liefern.» Soriots Reaktion
blieb zunächst offen.

Mittags forderten die EU-Kommission und die 27 Staaten in einer
internen Sitzung ebenfalls Auskunft von Astrazeneca. Der
britisch-schwedische Konzern hatte am Freitag mitgeteilt, nach der
für diese Woche erwarteten Zulassung zunächst weniger Impfstoff als
geplant an die EU liefern zu wollen. Statt 80 Millionen
Impfstoffdosen sollen es bis Ende März nur 31 Millionen sein.

Insgesamt hatte die EU-Kommission im August mit der Firma die
Lieferung von bis zu 400 Millionen Impfstoffdosen vereinbart. Die
Behörde zahlte nach eigenen Angaben einen dreistelligen
Millionenbetrag dafür, die Produktion schon vor der EU-Zulassung
hochzufahren. Nach Darstellung der EU-Kommission hätte der Konzern
laut Vertrag seit der verbindlichen Bestellung Ende Oktober Mengen
für die EU auf Halde fertigen müssen. Den Hinweis der Firma auf
Produktionsprobleme bei einem Zulieferer in Belgien hält die
Kommission für nicht stichhaltig.

Der CDU-Europapolitiker Peter Liese kritisierte, Astrazeneca liefere
«offensichtlich in andere Teile der Welt, auch nach Großbritannien,
ohne Verzögerung». Die Begründung für die Lieferschwierigkeiten in

der EU sei fadenscheinig, meinte Liese.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) forderte in Berlin: «Wir
müssen als EU wissen können, ob und welche Impfstoffe aus der EU
ausgeführt werden. Nur so können wir nachvollziehen, ob unsere
EU-Verträge mit den Herstellern fair bedient werden. Eine
entsprechende Pflicht zur Genehmigung von Impfstoff-Exporten auf
EU-Ebene macht Sinn.»

Dies verfolgt die EU-Kommission mit ihrem «Transparenzregister», das
nach Angaben aus EU-Kreisen binnen weniger Tage eingeführt werden
soll. Es soll erfassen, welche Hersteller welche Mengen von in der EU
produzierten Impfstoffen an Drittstaaten liefern. Zudem benötigten
Hersteller künftig eine Lizenz zum Export. Diese werde aber bei
Gütern für humanitäre Zwecke regelmäßig erteilt. Im Vordergrund s
tehe
die Transparenz, hieß es aus EU-Kreisen.

Ebenfalls am Montag schlug die EU-Kommission vor, Reisen innerhalb
der EU weiter einzuschränken, um die Verbreitung neuer Varianten des
Coronavirus zu bremsen. So sollen für bestimmte Länder und Regionen
strengere Test- und Quarantäne-Regeln eingeführt. In Deutschland
gelten schon seit Sonntag für mehr als 20 Länder mit besonders hohen
Infektionszahlen neue Regeln bei der Einreise. Auch andere EU-Länder
haben ihre Vorgaben schon verschärft.