Status: «Es ist kompliziert» - Europa, Facebook, Google und Medien Von Anna Ringle und Christoph Dernbach, dpa

25.02.2021 09:58

Was ist da los in Australien? Facebook und Regierung liefern sich ein
Pingpong samt Drohkulisse und Annäherungsversuchen um die Bezahlung
von journalistischen Inhalten im Netz. Was macht das mit Europa und
Deutschland?

Berlin/Brüssel (dpa) - Der Beziehungsstatus lautet gerade wohl: «Es
ist kompliziert». In Deutschland verfolgte man tagelang einen Streit
zwischen der australischen Regierung und Facebook. Man fragt sich:
Wird sich die Bundesregierung demnächst auch so mit dem weltgrößten
sozialen Netzwerk oder dem Suchmaschinen-Betreiber Google zoffen?

Facebook hatte journalistische Inhalte auf seiner Plattform gesperrt,
um gegen ein geplantes Mediengesetz zu protestieren. Der
Zeitungsverlegerverband BDZV in Deutschland wertete das Ganze so:
«Facebook zeigt sein wahres Gesicht: Auf die Marktmacht folgt jetzt
die politische Macht».

Das Gesetz in Australien verpflichtet Facebook und Google, Verlage an
den Werbeeinnahmen zu beteiligen, die sie in Verbindung mit dem
Präsentieren journalistischer Verlagsinhalte generieren. Die
Eskalation hatte Züge von einem Rosenkrieg, bei dem jeder schon mal
seine Folterinstrumente zeigte. Dann wollte man sich in Details noch
auf einen Kompromiss einigen. Der Senat in Canberra verabschiedete am
Mittwoch das Gesetz, am Donnerstag folgte das Parlament.

Für Europa ist die Gemengelage wegen der unterschiedlichen Rechtslage
nicht eins zu eins vergleichbar und hat doch auch hierzulande die
Debatte angeheizt. Europäische Verleger haben sich unter dem Eindruck
des Krachs in einer ungewöhnlichen Allianz mit Google-Konkurrent
Microsoft zusammengeschlossen. Sie wollen dafür kämpfen, dass sich
Europa und Deutschland ein Beispiel an Australien nehmen. Es geht um
einen Schiedsgericht-Mechanismus zwischen Verlagen und Plattformen
bei strittigen Zahlungen für Verlagsinhalte im Netz. Dieser soll
langwierige ungeklärte Prozessen und Hängepartien vermeiden.

Am 24. März wollen sich auch die Mitglieder des Bundestagsausschusses
Digitale Agenda einen Überblick zur Lage in Australien und den Streit
mit Facebook sowie die Einigungspläne machen, wie der
digitalpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tankred
Schipanski (CDU), der Deutschen Presse-Agentur sagte. Dazu werde ein
Vertreter der australischen Botschaft eingeladen.

«Die australische Debatte ist interessant, vor allem mit Blick auf
das Streitschlichtungsmodell», erklärte Schipanski. Es sei zu
überlegen, ob ein solches Modell auch für Europa eine Option sein
könne. Auch die Vorsitzende im Kulturausschuss des EU-Parlaments,
Sabine Verheyen, betonte in einem dpa-Gespräch, dass man die Debatte
in Australien - auch mit Blick auf mögliche Schlüsse für Europa -
weiter beobachten wolle.

Nicht nur in Australien, sondern auch in Europa und in Deutschland
verspüren die großen US-Plattformen schon länger Gegenwind. Die
Kritik von Verlagen und aus der Politik hindert allerdings die
Menschen nicht daran, Facebook, Google und Co. intensiver zu nutzen
als jemals zuvor.

In der EU gibt es Bestrebungen, Plattformen im Netz verstärkt zu
regulieren. Desinformation, Hassrede und Wettbewerbsbedenken haben
das befeuert. Mit neuen Regeln und der Androhung von
Milliardenstrafen soll die Marktmacht von Internet-Giganten begrenzt
werden. Das Gesetz für digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA)
befasst sich mit den wettbewerbsrechtlichen Aspekten. Das Gesetz für
digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) geht gesellschaftliche
Fragen an.

Das Bundesjustizministerium teilte auf dpa-Anfrage mit, dass der
Vorstoß der Verleger zum Schlichtungsmechanismus im Kontext des
«Digital Markets Act» diskutiert werden könnte. «Dabei ist
klarzustellen, dass es sich in der Sache nicht um eine «Schlichtung»
im allgemeinen Sinne handelt, da eine solche vom Grundsatz der
Freiwilligkeit gekennzeichnet ist. Vorliegend wird jedoch eine
staatliche Vergütungsfestsetzung in einem nicht funktionierenden
Markt angestrebt.»

Im Bundestag steht demnächst die Urheberrechts-Reform an, die das
Bundeskabinett Anfang Februar beschlossen hatte. In dem Paket wurden
auch Leistungsschutzrechte für Verlage festgelegt. Deutschland setzt
damit verabschiedete EU-Urheberrechts-Richtlinien um, die Frist läuft
im Juni ab. Für Verlage heißt das, dass sie einen Anspruch auf
Vergütung haben, wenn Plattformen Verlagsinhalte veröffentlichen.

Das Bundesjustizministerium stellt dazu fest: «Es gibt
Presseverlegern das Recht, Nutzungen zu erlauben oder zu verbieten.
Es verpflichtet aber für sich genommen niemanden, entsprechende
Lizenzen zu erwerben, Inhalte zu nutzen und diese zu vergüten.»

Facebook beharrt in Deutschland - wie in Australien - darauf, nicht
zu einem Vertragsabschluss mit den Verlagen gezwungen zu werden. «Der
Verweis auf eine «Verpflichtung» zum Abschluss eines Vertrages sollte
gestrichen werden», heißt es in einer Stellungnahme des Konzerns zu
dem Gesetzesentwurf. Nach der EU-Richtlinie reiche es aus, wenn sich
die Plattform um den Abschluss eines Vertrages mit dem Rechteinhaber
bemühe. «Ob der Diensteanbieter diesen Vertrag aber abschließt und,
wenn ja, zu welchen Konditionen, ist in der Richtlinie gerade nicht
vorgegeben.»

Man habe Bedenken, erklärt Facebook, dass der aktuelle Gesetzentwurf
in Deutschland die Zusammenarbeit mit Rechteinhabern einschränken und
die Kreativität im Internet begrenzen werde. «Der Beitrag, den wir
durch unsere Produkte, unsere Partnerschaften und Lizenzen für
Inhalte in den Bereichen Unterhaltung, Musik, Nachrichten, Sport,
Spiele und anderen Medien erbringen beläuft sich weltweit auf mehr
als drei Milliarden US-Dollar pro Jahr.»

Ein früheres Presseleistungsschutzrecht in Deutschland war wegen
eines Formfehlers vom Europäischen Gerichtshof gekippt worden. In der
Zwischenzeit hat Google aber auch schon mit bestimmten Verlagen
individuelle Lösungen vereinbart. Damit hat sich das Unternehmen die
Rechte gesichert, Verlagsinhalte nicht nur als kurzes «Snippet» -
also als Anreißer - im «Google News Showcase» (Nachrichtenbereich) zu

präsentieren, sondern vollständige Artikel oder Videos.

Facebook verfolgt mit «Facebook News» einen ähnlichen Ansatz, ist
damit aber nur in den USA und Großbritannien online. Allerdings will
das Netzwerk auch in Deutschland mit Verlagen zusammenarbeiten, um
Nachrichteninhalte in einem eigenen Bereich zu präsentieren. «In den
kommenden Monaten» soll es losgehen.

Mit ihren Umarmungsbemühungen können Google und Facebook längst nicht

bei allen Verlagen landen. Insbesondere die durch die
Verwertungsgesellschaft Corint Media (ehemals VG Media) vertretenen
Verlage halten die Offerte für nicht fair und setzen sich für eine
strikte staatliche Regulierung ein. Es bleibt also kompliziert.