EuGH-Gutachter: Ungarns «Stop-Soros-Gesetz» verstößt gegen EU-Recht

25.02.2021 11:38

Luxemburg (dpa) - Wegen der Kriminalisierung von Flüchtlingshelfern
droht Ungarn erneut eine Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof.
Das sogenannte «Stop-Soros-Gesetz» der rechtsnationalen Regierung von
Ministerpräsident Viktor Orban stehe nicht mit EU-Recht in Einklang,
befand ein EuGH-Gutachter am Donnerstag (Rechtssache C-821/19).

Hintergrund ist eine Klage der EU-Kommission gegen das Gesetz von
2018. Es kriminalisiert NGO-Mitarbeiter und Aktivisten, die Migranten
Zugang zu einem Asylverfahren verschaffen wollen, die in ihrem
Herkunftsland oder einem Land auf ihrem Weg nach Ungarn keiner
Verfolgung ausgesetzt gewesen sind. Den Regeln zufolge haben nur noch
jene Personen Anrecht auf Asyl, die direkt von einem Ort kommen, an
denen ihr Leben oder ihre Freiheit gefährdet ist. Auch verbietet das
Gesetz Flüchtlingshelfern den Zutritt zu einem acht Kilometer breiten
Streifen entlang ungarischen EU-Außengrenze.

Die Bezeichnung «Stop Soros» bezieht sich auf den liberalen
US-Milliardär George Soros. Der aus Ungarn stammende
Holocaust-Überlebende unterstützt mit seiner humanitären Stiftung
zahlreiche Zivilorganisationen, die Flüchtlingen und Asylsuchenden
helfen. Die ungarische Regierung unterstellt Soros, eine große Zahl
muslimischer Einwanderer nach Europa zu bringen, und attackiert ihn
mit antisemitischen Stereotypen.

In seinem Gutachten betont Generalanwalt Athanasios Rantos nun, dass
die Kriminalisierung der Flüchtlingshelfer ein ungerechtfertigtes
Hindernis ihrer Arbeit sei. Es sei Aufgabe der Behörden, Anträge auf
internationalen Schutz zu prüfen - und nicht von NGOs oder
Rechtsberatern. Die Tatsache, dass Serbien für Ungarn ein sicheres
Transitland sei, führe dazu, dass viele Anträge zum Scheitern
verurteilt seien und Helfer sich so Gefahr aussetzten.

Zugleich betonte Gutachter Rantos, dass die Acht-Kilometer-Regel
seiner Meinung nach nicht gegen EU-Recht verstößt. Bereits im
vergangenen Jahr hatte der EuGH entschieden, dass die Regel, wonach
ein Asylantrag zurückgewiesen werden kann, wenn der Antragsteller
über ein «sicheres Transitland» einreist, rechtwidrig ist.

Das Gutachten ist noch kein Urteil, häufig folgen die EuGH-Richter
jedoch ihren Gutachtern. Eine Entscheidung dürfte innerhalb der
kommenden Monate fallen. Die EU-Kommission verklagte Ungarn in den
vergangenen Jahren mehrfach wegen der Asylregeln vor dem EuGH.
Mehrfach kippte der Gerichtshof die Regeln.