EU-Länder ebnen Weg für mehr Steuertransparenz großer Unternehmen

25.02.2021 18:13

Großen multinationalen Unternehmen wird oft vorgeworfen, teils extrem
wenig Steuern zu zahlen. Künftig soll in Europa mehr Transparenz
darüber herrschen - jedenfalls nach dem Willen der meisten EU-Länder.


Brüssel (dpa) - Umsatzstarke Unternehmen in der EU könnten künftig zu

deutlich mehr Steuertransparenz verpflichtet werden. Bei einer
Videokonferenz der nationalen Wirtschaftsminister am Donnerstag
signalisierte eine Mehrheit Zustimmung für den Plan, Finanzbehörden
zusätzliche Informationen zu grenzüberschreitenden Konzernstrukturen
an die Hand geben zu können.

Bei dem sogenannten Public Country-by-Country-Reporting (CbCR) geht
es darum, dass Firmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen
Euro pro Jahr dazu verpflichtet werden, Informationen über ihre
Gewinne und Steuern öffentlich zu machen. Durch länderbezogene
Berichte für multinational tätige Unternehmen und deren automatischer
Austausch sollen Finanzbehörden besser prüfen können - so soll
Steuervermeidung stärker entgegengewirkt werden.
Nichtregierungsorganisationen begrüßten diesen Schritt -
Wirtschaftsverbände übten Kritik.

Weil sich die Minister und ihre Vertreter am Donnerstag nur per
Videokonferenz getroffen haben, konnte formell noch keine
bindende Entscheidung getroffen werden. Es besteht jedoch der Plan,
dies zeitnah nachzuholen und offiziell grünes Licht für die noch
notwendigen Verhandlungen mit dem EU-Parlament zu geben.

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) machte die Union dafür verantwortlich,
dass sich Deutschland bei der Konferenz nicht offen dafür
ausgesprochen hatte, das Vorhaben in dieser Form zu unterstützen.
«Schade, dass sich ausgerechnet Deutschland bei der Abstimmung
enthalten musste, weil unser Koalitionspartner diesen Schritt hin zu
mehr Steuertransparenz partout nicht mitgehen will», teilte er mit.
Aus dem von CDU-geführten Wirtschaftsministerium hieß es, man habe
Vertrauen darin, dass Finanzbehörden solche Informationen bereits
nutzten, da sie ihnen schon zur Verfügung stünden.

Innerhalb der EU gibt es zudem unterschiedliche Rechtsauffassungen:
Einige EU-Länder wie Luxemburg, Malta, Zypern und Irland sind der
Meinung, dass Einstimmigkeit herrschen müsse, weil es um
Steuerpolitik gehe. Die Mehrheit der Länder und die EU-Kommission
vertreten dagegen den Standpunkt, dass es um Transparenz gehe und
Steuerregeln nicht direkt geändert würden. Daher reiche
eine qualifizierte Mehrheit.

Kritik kommt auch von Wirtschaftsverbänden. Der Verband der
Automobilindustrie fürchtet, dass sensible Unternehmensdaten
öffentlich werden könnten. Auch der Bundesverband der deutschen
Industrie (BDI) spricht von «erheblichen Wettbewerbsnachteilen» für

europäische Firmen.

Aus Sicht der Stiftung Familienunternehmen wäre ein öffentliches CbCR
vor dem Europäischen Gerichtshof «wegen des unverhältnismäßigen

Eingriffs in den Datenschutz und der Rechtsgrundlage für die
Entscheidung auch angreifbar». Sozialdemokratische und grüne
Europapolitiker feierten die Entscheidung. So twitterte der grüne
Finanzexperte Sven Giegold: «Das ist ein riesiger Erfolg gegen
Steuervermeidung».