Corona-Impfstoff: 900 Millionen Dosen aus dubioser Quelle angeboten
25.02.2021 19:21
Corona-Impfstoff ist überall in der EU knapp. Das machen sich
offenbar dubiose Geschäftemacher zunutze. EU-Ermittler schlagen
Alarm.
Brüssel/Berlin (dpa) - Auf dem leer gefegten Markt für
Corona-Impfstoffe beobachten EU-Ermittler immer mehr Betrügereien.
Vermittler hätten Regierungen in den vergangenen Wochen insgesamt 900
Millionen Dosen Impfstoff für 12,7 Milliarden Euro angeboten,
erklärte die EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf am Donnerstag der Deutschen
Presse-Agentur in Brüssel. Dubiose Angebote erhielten auch die
Bundesregierung und das Land Nordrhein-Westfalen, lehnten aber ab.
Die 27 EU-Staaten hatten vereinbart, Corona-Impfstoff gemeinsam über
die EU-Kommission in Brüssel beschaffen zu lassen. Derzeit sind die
aus den Gemeinschaftsverträgen gelieferten Mengen aber überall in der
EU knapp. Die Hersteller begründen das mit der erst langsam
steigenden Produktion.
«Wir sehen eine wachsende Zahl von Betrügereien und Fake-Angeboten im
Zusammenhang mit Impfstoffen», teilte die Olaf-Pressestelle mit. Die
Anti-Betrugs-Behörde hat nach eigenen Angaben Informationen von
vielen Regierungen bekommen über Vermittler, die versuchten, große
Mengen von in der EU zugelassenen Vakzinen zu verkaufen. Die Hinweise
hätten stark zugenommen, seit Olaf vor solchen Betrugsversuchen
gewarnt habe.
Ziel der Betrüger sei es, die Behörden zu einer großen Anzahlung fü
r
die Geschäfte zu bewegen und sich dann mit dem Geld abzusetzen.
Dieselbe Betrugsmasche sei im vergangenen Jahr auch bei
Schutzkleidung angewendet worden. «Die Vermittler stehen für
opportunistische Firmen, die bis vor kurzem inaktiv waren oder mit
ganz anderen Gütern gehandelt haben», erklärte der Sprecher weiter.
Sitz der Firmen sei oft außerhalb der EU, sie seien deshalb schwer zu
identifizieren. Olaf setze auf Informationsaustausch über suspekte
Geschäfte und habe alle EU-Staaten gebeten, solche Angebote zu
melden.
EU-Beamte hatten die Summe der dubiosen Angebote noch am
Donnerstagmorgen auf 400 Millionen Dosen beziffert. Abends nannte
dann Olaf die aktualisierte Zahl. «Wir nennen das Geisterimpfstoffe,
also irgendwelche mehr oder weniger obskuren Angebote, die auch schon
an viele Staats- und Regierungschefs wohl gegangen sind», hieß es aus
Kreisen der EU-Kommission. Niemand wisse genau, ob es sich um echten
Impfstoff handele. Es könne auch «Salzwasser in kleinen Fläschchen»
sein.
«Bild» berichtete am Donnerstag, ein privater Vermittler habe vor
wenigen Tagen zahlreichen Regierungen per E-Mail allein 100 Millionen
Dosen des Impfstoffs des britisch-schwedischen Herstellers
Astrazeneca angeboten. Als Vermittler habe ein Mann fungiert, der
zuvor auch schon Corona-Schutzausrüstung angeboten habe und in
etlichen deutschen Behörden bekannt sei.
Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums bestätigte dem
«Bild»-Bericht zufolge allgemein, dass auch die Bundesregierung in
den vergangenen Wochen etliche Angebote «unterschiedlicher
Seriosität» von privaten Impfstoffvermittlern erhalten habe.
Deutschland, das an den EU-Beschaffungsmechanismus gebunden sei, habe
aber keines dieser Angebote angenommen.
Auch dem Land Nordrhein-Westfalen ist der Impfstoff Astrazeneca auf
obskuren Vertriebswegen in einer rechtlichen Grauzone angeboten
worden. «Das Gesundheitsministerium hat das in höchstem Maße
zweifelhafte Angebot nicht weiter verfolgt», berichtete ein Sprecher
auf dpa-Anfrage in Düsseldorf.