EU arbeitet am Corona-Pass für freies Reisen
25.02.2021 21:20
Immer mehr EU-Staaten dringen auf eine gemeinsames Zertifikat, das
Vorteile wie freies Reisen oder Theaterbesuche ermöglichen soll. Nun
wird an der Technik gearbeitet. Von heute auf morgen geht das jedoch
nicht.
Brüssel (dpa) - Die Europäische Union treibt die Arbeit an einem
einheitlichen Corona-Impfpass für einfacheres Reisen voran. Das
gemeinsame System könnte pünktlich zur Sommersaison einsatzbereit
sein. Die EU-Kommission wolle in den kommenden drei Monaten die
technischen Voraussetzungen dafür schaffen, nationale digitale
Impfausweise miteinander zu verbinden, sagte Kanzlerin Angela Merkel
am Donnerstag nach einem EU-Sondergipfel zur Corona-Pandemie.
EU-Ratschef Charles Michel sagte, die 27 Staaten näherten sich in
ihren Vorstellungen immer weiter an. Welche Rechte an das gemeinsame
Dokument geknüpft sind, würde dann jedes Land für sich entscheiden.
Länder wie Österreich, Bulgarien oder Griechenland hatten zuvor Druck
gemacht. Sie wollen Geimpften, Getesteten und Genesenen wieder mehr
Freiheiten einräumen. Vorbild für den Vorstoß ist der «Grüne Pass
» in
Israel, wie Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sagte. Dort können von
einer Corona-Infektion genesene Menschen und jene, die gegen das
Virus geimpft sind, seit Sonntag unter anderem wieder Fitnessstudios,
Theater und Sportereignisse besuchen. In der EU setzen vor allem
südliche Länder auf das für sie so wichtige Tourismus-Geschäft.
Die Arbeit an gemeinsamen Impfausweis soll nun vorangetrieben werden,
wie es in den gemeinsamen Gipfel-Schlussfolgerungen heißt. Bislang
hatten sich die 27 EU-Staaten nur darauf geeinigt, dass es einen
gegenseitig anerkannten Impf-Nachweis für medizinische Zwecke geben
soll. Angedacht sind eine Datenbank zur Registrierung der Impfungen
und ein personalisierter QR-Code für Geimpfte.
Mit Blick auf mögliche Vorteile für Geimpfte betonte Merkel: «Alle
haben heute darauf hingewiesen, dass das zurzeit bei der geringen
Durchimpfung der Bevölkerung gar nicht das Thema ist. Aber man muss
sich ja vorbereiten.» Das heiße nicht, dass künftig nur reisen dürf
e,
wer einen Impfpass habe. «Darüber sind überhaupt noch keine
politischen Entscheidungen getroffen.»
Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, es seien noch
politische und wissenschaftliche Fragen offen. Die Entscheidung, was
möglicherweise mit so einem Impfpass möglich sei, müsse jedes Land
für sich treffen. Sie sagte, die technischen Vorarbeiten dauerten
mindestens rund drei Monate. Die EU-Staaten müssten sich mit ihren
nationalen Impfausweisen beeilen, wenn es bis zum Sommer klappen
solle.
Österreichs Kanzler Kurz dringt auf schnelles Handeln. Nach der
Videokonferenz schrieb er auf Twitter: «Es freut mich, dass es unter
den EU-Mitgliedsstaaten eine breite Front der Unterstützung für die
Idee eines Grünen Passes gibt. Nun geht es um die möglichst rasche
Umsetzung!» Griechenland und Zypern haben schon jetzt Vereinbarungen
mit Israel über die künftige Einreise von Geimpften geschlossen. Kurz
schließt auch einen Alleingang nicht aus, falls es keine einheitliche
Linie auf EU-Ebene geben sollte.
Nationale Alleingänge haben zuletzt allerdings schon bei
Grenzkontrollen und -schließungen für Unmut gesorgt. Dabei hatten
sich die EU-Staaten vor einigen Wochen eigentlich auf Empfehlungen
für ein einheitliches Vorgehen an den Grenzen geeinigt. Deutschland
und andere gehen jedoch darüber hinaus. Merkel betonte, Deutschland
setze alles daran, den freien Warenverkehr und berufliches Pendeln zu
ermöglichen. Ratschef Michel forderte: «Wir müssen den gemeinsamen
Ansatz respektieren, auf den wir uns verständigt haben.»
Topthema beim Gipfel war, mehr Tempo bei den Impfungen zu gewinnen
und den Impfstoffmangel zu beheben. Dies sei eine Priorität, sagte
Ratschef Michel. Auch angesichts der neuen Virusvarianten müsse man
sich rüsten und die Strategie anpassen.
Auf dem leer gefegten Markt für Corona-Impfstoffe beobachten
EU-Ermittler unterdessen immer mehr Betrügereien. Vermittler hätten
Regierungen in den vergangenen Wochen insgesamt 900 Millionen Dosen
Impfstoff für 12,7 Milliarden Euro angeboten, erklärte die
EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf am Donnerstag der Deutschen
Presse-Agentur in Brüssel. Dubiose Angebote erhielten auch die
Bundesregierung und das Land Nordrhein-Westfalen, beide lehnten ab.
«Wir nennen das Geisterimpfstoffe, also irgendwelche mehr oder
weniger obskuren Angebote, die auch schon an viele Staats- und
Regierungschefs wohl gegangen sind», hieß es aus Kreisen der
EU-Kommission. Niemand wisse genau, ob es sich um echten Impfstoff
handele. Es könne auch «Salzwasser in kleinen Fläschchen» sein.
Am Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs über die Stärkung
der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
beraten. Ziel dabei ist es auch, ein unabhängigeres Handeln der
Europäischen Union in internationalen Krisen und Konflikten zu
gewährleisten. Bislang ist die EU in vielen Bereichen stark auf die
USA angewiesen - vor allem, wenn es um größere Militäreinsätze geht
.