Freifahrtschein in die Ferien? Was der EU-Impfpass bringen soll Von Verena Schmitt-Roschmann und Sascha Meyer, dpa

26.02.2021 15:00

Der EU-Gipfel hat die Weichen für einen digitalen europäischen
Corona-Impfpass gestellt. Aber kommt er schnell genug? Und was kann
man damit anfangen? Die wichtigsten Antworten.

Brüssel (dpa) - Einfach ein Ticket in die Sonne buchen und ab in den
Urlaub: Nach dem deprimierenden Corona-Winter ist die Sehnsucht groß.
Ein europäischer Impfpass könnte das Reisen leichter machen und auch
den gebeutelten Urlaubsländern Europas wirtschaftlich wieder auf die
Beine helfen - so hoffen es die Befürworter. Beim EU-Gipfel setzten
sie sich jetzt zumindest teilweise durch. Doch die Hürden bleiben
hoch, politisch und technisch. Ein Freifahrtschein in Ferien ohne
Tests und Quarantäne ist noch nicht in Sicht.

Was wurde beim EU-Gipfel vereinbart?

Der Beschluss ist dürr: «Wir rufen dazu auf, dass die Arbeit an einem
gemeinsamen Ansatz für Impfzertifikate weiter geht und werden uns
damit wieder befassen», heißt es in der Gipfelerklärung. Offiziell
ist das kaum mehr als der Grundsatzbeschluss vom Dezember, dass man
so einen Impfpass will. Der politische Druck von Urlaubsländern wie
Österreich, Griechenland, Zypern und Spanien war aber so groß, dass
nun zumindest ein Zeitrahmen genannt wird: Drei Monate sollen die
technischen Vorbereitungen dauern, also etwa bis Ende Mai. Technisch
wäre man damit vor der Sommersaison startklar.

Wie könnte der Impfpass aussehen?

Das könnte in jedem EU-Staat etwas unterschiedlich sein - ob auf
Papier oder elektronisch. Gesundheitsminister Jens Spahn plant einen
vorübergehenden digitalen Impfnachweis zusätzlich zum gängigen gelben

Impfheftchen, bevor Anfang 2022 ohnehin ein digitaler Impfpass als
Teil der elektronischen Patientenakte kommen soll. Wichtige Daten
sind bereits beim Robert Koch-Institut hinterlegt - unter anderem
Impfdatum, Impfstoffname, Chargennummer, Geburtsmonat, Geburtsjahr,
Geschlecht und Postleitzahl. Das Europäische am Impfnachweis: Die
nationalen Lösungen sollen von vorneherein kompatibel aufgesetzt und
verknüpft werden, so dass sie überall in der EU einfach und
personenbezogen ausgelesen werden können. Denkbar ist etwa ein
personalisierter QR-Code wie bei einem Bahnticket, den man sowohl auf
Papier als auch auf dem Smartphone bei sich tragen könnte.

Was kann man mit dem Impfpass anfangen?

Das ist die eigentlich heikle Frage, die auch beim EU-Gipfel offen
blieb. Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz und andere wollen
ganz klar eine Verknüpfung mit Vorteilen für Corona-Geimpfte:
einfacheres Reisen, aber auch Zugang zu Restaurants oder Theatern.
«Wir wollen möglichst schnell wieder zurück zur Normalität, unser
altes Leben wiederhaben und ein Maximum an Freiheit», schrieb Kurz
auf Twitter. In dem elektronischen Nachweis könnten nach seiner
Auffassung auch eine Immunisierung durch Covid oder negative Tests
vermerkt sein und ebenfalls als Türöffner wirken. Deutschland und
andere zögern. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, es sei nicht so,
dass künftig nur reisen dürfe, wer einen Impfpass habe. «Darüber si
nd
überhaupt noch keine politischen Entscheidungen getroffen.»

Warum bremst Deutschland?

Drei wichtige Argumente: Erstens sei unklar, ob man trotz Impfung das
Coronavirus weitergeben könne - hierzu verwies EU-Kommissionschefin
Ursula von der Leyen beim Gipfel jedoch auf vielversprechende Daten
aus Israel, wonach zumindest der Biontech/Pfizer-Impfstoff wohl vor
Übertragungen durch zweimal Geimpfte schützen könnte. Zweiter
Einwand: Nur eine kleine Minderheit in der EU hat bisher die Chance
auf die Spritze, da wären Vorteile unfair. Und zum dritten: Hätten
nur Geimpfte Vorteile, könnte das eine Impflicht durch die Hintertür
bedeuten, dabei hat man doch Freiwilligkeit zugesichert. Das
Gegenargument lautet, die Aussicht auf Bewegungsfreiheit könnte
Skepsis überwinden helfen.

Wird der EU-Impfpass den Weg in die großen Ferien ebnen?

Das ist nicht ausgeschlossen. Selbst wenn Deutschland sich gegen
Vorteile für Geimpfte im eigenen Land wenden sollte, könnte zum
Beispiel Griechenland entscheiden, Menschen mit Corona-Impfpass die
Quarantäne zu erlassen. «Letztlich liegt die Entscheidung, was man
mit einem solchen Zertifikat tun könnte, bei jedem einzelnen Land»,
sagte von der Leyen.

Zwei Hürden sind aber vorher zu nehmen: Die technische Vorbereitung
binnen drei Monaten wäre für EU-Verhältnisse sehr fix - zähe Projek
te
wie das gemeinsame Formular zur Nachverfolgung von Reisebewegungen
oder die Verknüpfung von Tracing-Apps lassen nichts Gutes ahnen. Der
Impfpass sei aber in der Frist technisch machbar, hieß es am Freitag
aus der EU-Kommission. Technische Eckpunkte wurden schon Ende Januar
vereinbart. Und dann wäre da die Zahl potenzieller Nutzer: Erst nach
Massenimpfungen wäre der Ausweis überhaupt relevant.