EU-Kommissar warnt vor zu raschem Stopp der Corona-Hilfen

26.02.2021 17:17

Brüssel (dpa) - EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni hat vor einer
zu schnellen Drosselung der Wirtschaftshilfen in der Corona-Krise
gewarnt. Zudem plädierte Gentiloni in einer Rede am Freitag
mittelfristig für eine Lockerung des europäischen Stabilitäts- und
Wachstumspakts, also der Schulden- und Defizitregeln. Unter anderem
brachte er ins Gespräch, die Aussetzung der Regeln im Krisenfall zu
erleichtern und dafür die vielen Ausnahmen im Pakt abzuschaffen.

In der Corona-Krise wurden diese Regeln - höchstens drei Prozent
Haushaltsdefizit und höchstens 60 Prozent Verschuldungsquote gemessen
an der Wirtschaftsleistung - erstmals mit Hilfe einer Notfallklausel
außer Kraft gesetzt. So konnten die EU-Staaten ihren Unternehmen mit
Milliardenhilfen unter die Arme greifen.

Obwohl die Kommission ab dem zweiten Quartal wieder Wachstum
erwartet, mahnte Gentiloni zu Vorsicht beim Zurückfahren dieser
Hilfen. «Angesichts der sehr tiefen, ungleichmäßigen Rezession und
großer Unsicherheit wäre es aus meiner Sicht klüger, lieber zu viel
zu tun als zu wenig», erklärte der Kommissar laut Manuskript in der
Rede vor dem Europäischen Fiskalausschuss. Fehler der Vergangenheit
und ein starker Anstieg bei Firmenpleiten müssten vermieden werden.

Gentiloni kündigte für kommende Woche Kriterien an, nach denen sich
die Kommission in der Debatte über eine Rücknahme der Notfallklausel
im Stabilitätspakt richten will. Beschlossen ist bereits, dass sie
bis Ende dieses Jahres weiter gilt.

Längerfristig müssten die Fiskalregeln zwar Ausgaben unter Kontrolle
halten, aber auch nachhaltiges Wachstum unterstützen. «In diesem
Zusammenhang ist aus meiner Sicht eine besondere Behandlung für
Ausgaben nötig, die Wachstum verbessern», sagte Gentiloni. «Oder
anders gesagt, unsere Fiskalregeln sollten so geändert werden, dass
sich die Zusammensetzung öffentlicher Finanzen verbessert und
sichergestellt wird, dass alle neuen Schulden gute Schulden sind.»
Unter «guten Schulden» versteht Gentiloni Ausgaben für Forschung,
Bildung, Infrastruktur oder Krankenhäuser.