Fidesz-Leuten im EU-Parlament droht Suspendierung aus EVP-Fraktion

26.02.2021 18:26

Seit Jahren ringt die Europäische Volkspartei um den Umgang mit der
Partei von Viktor Orban. Die Parteienfamilie hat den Fidesz zwar
suspendiert, doch gehören die ungarischen Abgeordneten bislang weiter
zur Fraktion im EU-Parlament. Das könnte sich bald ändern.

Brüssel (dpa) - Den Abgeordneten der ungarischen Fidesz-Partei droht
die Suspendierung aus der christdemokratischen EVP-Fraktion im
Europaparlament. Die Fraktionsspitze einigte sich am Freitag auf den
Entwurf einer neuen Geschäftsordnung, der die Suspendierung oder den
Ausschluss ganzer Gruppen möglich machen würde, wie die Deutsche
Presse-Agentur aus Fraktionskreisen erfuhr. Nächsten Mittwoch dürfte
die Fraktion über die Geschäftsordnung abstimmen. In den Folgewochen
könnte die Suspendierung stehen.

Eine Suspendierung würde unter anderem bedeuten, dass die Betroffenen
nicht mehr im Namen der Fraktion im Plenum sprechen dürfen oder nicht
mehr für Positionen im Parlament nominiert werden. Für den Ausschluss
Einzelner oder ganzer Gruppen aus der Fraktion soll es ähnliche
Hürden geben.

«Die Fraktion wird das Instrument der Suspendierung einführen und
nach derzeitigem Stand auf die ungarischen Abgeordneten anwenden»,
sagte CDU-Politiker Daniel Caspary, der die deutsche Delegation
leitet. Er würde sich wünschen, dass die Parteivorsitzenden in
nächster Zeit mit Fidesz-Chef Viktor Orban klären, ob er in der
Partei bleiben wolle und sich angemessen verhalte. Der Schritt solle
«als gut durchtrainierter, aber freundschaftlicher Arm» verstanden
werden, der ausgestreckt sei.

Christophe Hansen von den Luxemburger Christdemokraten, die schon
lange auf den Fidesz-Rauswurf dringen, sagte, er könne mit dem
Kompromiss auf den Text für die Geschäftsordnung leben. Die
Suspendierung werde wohl in den kommenden drei oder vier Wochen
kommen. Dann hänge es davon ab, wie Orban entscheide. Nach einer
Suspendierung aus der Fraktion könnte er sich dazu entschließen, die
Mitgliedschaft in der Fraktion und der Partei zu beenden. Dies wäre
ein großer Einschnitt für die europäische Parteienlandschaft.

Die Europäische Volkspartei, in der auch CDU und CSU sind, ist die
größte Parteienfamilie in Europa. Sie ringt schon seit Jahren um
ihren Umgang mit der Partei von Ungarns Ministerpräsidenten Orban.
Die EVP-Mitgliedschaft des Fidesz wurde 2019 auf Eis gelegt - unter
anderem wegen mutmaßlicher Verstöße gegen EU-Grundwerte sowie wegen
Verbalattacken auf den damaligen EU-Kommissionschef Jean-Claude
Juncker. Zur Fraktion gehören die Fidesz-Abgeordneten bislang weiter.

Doch auch dort ist das Verhältnis schlecht. Bereits im April 2020
forderte gut ein Dutzend nationaler Delegationen, die
Fidesz-Mitgliedschaft zumindest auszusetzen. Diese Möglichkeit bietet
die Geschäftsordnung bislang nicht. Der Unmut wuchs, als der
Fidesz-Abgeordnete Tamas Deutsch Aussagen von Fraktionschef Manfred
Weber Ende vergangenen Jahres in die Nähe der Gestapo sowie des
Geheimdiensts AVH im kommunistischen Ungarn rückte. In einer
turbulenten Video-Fraktionssitzung wurde ein Rauswurf Deutschs im
Dezember noch abgewendet. Doch sollte eine Taskforce eine neue
Geschäftsordnung ausarbeiten.

Nach einigem Hin und Her dürfte der Kompromiss vom Freitag kommende
Woche eine breite Mehrheit in der Fraktion finden, hieß es. Er sieht
unter anderem vor, dass Partei-Beschlüsse zur Suspendierung einer
nationalen Partei auf Vorschlag des Präsidiums auch in der Fraktion
umgesetzt werden können. Dafür bräuchte es mehr als die Hälfte der

abgegebenen Stimmen. Zudem können mindestens 15 Prozent aller
EVP-Abgeordneten aus 4 Delegationen vorschlagen, die Mitgliedschaft
einer Gruppe auf Eis zu legen. Dann bräuchte es zwei Drittel der
abgegebenen Stimmen.

EVP-Parteichef Donald Tusk dringt schon lange auf einen
Fidesz-Rauswurf, kann sich damit aber nicht durchsetzen - auch, weil
die deutschen Unionsparteien bisher zögern. Das hat sich unter dem
neuen CDU-Chef Armin Laschet nicht geändert. Im Juni könnte Tusk
einen neuen Versuch starten, falls die Corona-Pandemie dann ein
physisches Treffen des Parteivorstands zulässt.