Biden verschärft Kurs gegen Riad - keine Sanktionen gegen Kronprinzen

27.02.2021 15:13

Joe Biden kündigte schon im Wahlkampf eine härtere Gangart gegenüber

Saudi-Arabien an. Nun lässt der neue US-Präsident seinen Worten Taten
folgen: Wegen des Khashoggi-Mordes verhängen die USA Sanktionen. Der
Hauptbeschuldigte kommt aber ungeschoren davon.

Washington (dpa) - Der neue US-Präsident Joe Biden hat den Kurs
gegenüber Saudi-Arabien drastisch verschärft und damit eine Abkehr
von der Politik seines Vorgängers Donald Trump vollzogen. Im
Zusammenhang mit dem Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im
Oktober 2018 verkündete die Biden-Regierung am Freitag (Ortszeit)
Sanktionen, von denen Kronprinz Mohammed bin Salman aber verschont
blieb. Kurz zuvor hatte das Büro der US-Geheimdienstkoordinatorin
Avril Haines einen bisher unter Verschluss gehaltenen Bericht zu dem
Fall veröffentlicht. Aus ihm geht hervor, dass der Kronprinz nach
Einschätzung der US-Geheimdienste die Operation zur Gefangennahme
oder Tötung Khashoggis im saudischen Konsulat in Istanbul genehmigt
hatte.

Das saudische Außenministerium wies den Bericht umgehend als «falsch»

und «inakzeptabel» zurück. Er enthalte «fehlerhafte Informationen u
nd
Schlussfolgerungen» zur saudischen Führung, teilte das Ministerium
mit. Das «schreckliche Verbrechen» stelle einen eklatanten Verstoß
gegen saudisches Recht dar. Diejenigen, die es begangen hätten, seien
verurteilt worden. Das Königreich lehne Maßnahmen ab, die seine
Souveränität und die Unabhängigkeit seiner Justiz verletzten.

Khashoggi war am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul
von einem Spezialkommando aus Riad getötet worden. Von seinem
Leichnam fehlt bis heute jede Spur. Khashoggi lebte im US-Bundesstaat
Virginia und schrieb Kolumnen für die «Washington Post», die oft
Kritik an der saudischen Monarchie enthielten.

Die Führung des islamisch-konservativen Königreichs war nach dem
Verschwinden Khashoggis scharfer Kritik ausgesetzt. Sie räumte den
Mord erst auf internationalen Druck hin ein. Die Spuren führten bis
in das engste Umfeld des Kronprinzen, der aber bestritt, die Tötung
selbst angeordnet zu haben.

Ein saudisches Gericht hatte im Herbst fünf Angeklagte zu 20 Jahren
Haft verurteilt und damit eine zuvor verhängte Todesstrafe gegen die
Beschuldigten aufgehoben. In dem US-Bericht werden neben dem
Kronprinzen 21 Personen im Zusammenhang mit der Operation aufgeführt.

Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Berichts kündigte
US-Außenminister Antony Blinken am Freitag Einreisebeschränkungen
gegen 76 Bürger Saudi-Arabiens an. Das US-Finanzministerium setzte
zugleich den früheren saudischen Vize-Geheimdienstchef Ahmed al-Asiri
und eine Eliteeinheit zum Schutz des Kronprinzen auf die
Sanktionsliste.

Für Kritik sorgte, dass die US-Regierung keine Strafmaßnahmen gegen
den Kronprinzen selbst verkündete, obwohl der Demokrat Biden das im
Wahlkampf in Aussicht gestellt hatte. Der Vorsitzende des
Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus, der Demokrat Adam
Schiff, forderte auf Twitter weitergehende Maßnahmen. «Die
Biden-Regierung sollte sicherstellen, dass die Konsequenzen für den
brutalen Mord an Khashoggi nicht nur diejenigen treffen, die ihn
ausgeführt haben, sondern auch denjenigen, der ihn angeordnet hat»,
schrieb er. «Der Kronprinz hat Blut an den Händen.»

Die «Washington Post» forderte, gegen Bin Salman müsse eine
Einreisesperre verhängt werden, etwaiger Besitz in den USA müsse
eingefroren werden. «Mohammed bin Salman ist des Mordes schuldig.
Biden sollte ihm das nicht durchgehen lassen.» Die «New York Times»
kommentierte, Biden scheine bereit dazu zu sein, «den Mörder laufen
zu lassen». Das sei «Betrug» an Khashoggi. Unter Berufung auf
Regierungskreise schrieb die Zeitung, Biden sei der diplomatische
Preis für eine Bestrafung des Kronprinzen zu hoch gewesen.

Der Sender CNN berichtete unter Berufung auf Regierungskreise,
Sanktionen gegen den Kronprinzen seien keine Option gewesen, weil sie
US-Militärinteressen hätten gefährden können. Saudi-Arabien ist
traditionell ein enger Verbündeter der USA.

Außenminister Blinken verteidigte das Vorgehen der Regierung. «Die
Maßnahmen, die wir ergriffen haben, zielten also nicht darauf ab, die
Beziehung abzubrechen, sondern darauf, sie neu zu kalibrieren, um sie
besser mit unseren Interessen und Werten in Einklang zu bringen»,
sagte er bei einer Pressekonferenz.

Blinken verkündete am Freitag eine Visa-Neuregelung mit dem Namen
«Khashoggi-Verbot». Sie erlaube es seinem Ministerium,
Visabeschränkungen gegen Personen zu verhängen, die im Auftrag
ausländischer Regierung an Aktivitäten gegen Dissidenten außerhalb
ihres Landes beteiligt seien, teilte er mit. «Extraterritoriale
Drohungen und Übergriffe Saudi-Arabiens gegen Aktivisten, Dissidenten
und Journalisten» würden von den USA nicht toleriert werden.

Die EU nahm nach Angaben eines Sprechers des Außenbeauftragten Josep
Borrell den Bericht sowie die Reaktion Saudi-Arabiens zur Kenntnis.
Die EU habe immer wieder zur Rechenschaftsziehung und zur Umsetzung
von Maßnahmen in den saudi-arabischen Sicherheits- und
Geheimdienstorganisationen aufgerufen, damit ähnliche Verbrechen
nicht wieder passieren. Die EU wiederhole bei dieser Gelegenheit ihr
eindeutiges Bekenntnis zur Pressefreiheit und zum Schutz von
Journalisten.

Biden-Vorgänger Trump hatte mit Riad Waffengeschäfte in
Milliardenhöhe abgeschlossen. Der Republikaner war mit einer eher
laxen Haltung mit Blick auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien
ein wichtiger Verbündeter des Kronprinzen. Washington verhängte im
Zusammenhang mit dem Mord an dem Journalisten zwar Sanktionen gegen
mehr als ein Dutzend ehemalige saudische Regierungsmitarbeiter. Trump
hielt aber an seiner Unterstützung für das Königshaus in Riad fest.

Die Regierung des Demokraten Biden hat deutlich gemacht, dass sie das
Verhältnis zu Saudi-Arabien neu ausrichten werde. Biden hatte bereits
im Wahlkampf einen härteren Kurs gegenüber Saudi-Arabien versprochen.
Bei einer TV-Debatte im November 2019 hatte er die Frage bejaht, ob
er als Präsident führende saudische Politiker wegen des Mordes an
Khashoggi bestrafen werde. Biden hatte damals auch gesagt, er glaube,
dass Khashoggi auf Befehl des Kronprinzen getötet worden sei.