Neuer Impfstoff frei für USA - Impfstau in Deutschland wächst

28.02.2021 18:25

Massenhaft liegt ungenutzter Impfstoff in Deutschlands Impfzentren -
Millionen weitere Impfdosen werden erwartet. Und bald sollen die
Ampeln für ein neues Präparat in Europa auf grün gestellt werden.

Berlin/Silver Spring (dpa) - In den USA ist der Corona-Impfstoff des
US-Konzerns Johnson & Johnson zugelassen - in der EU und somit auch
in Deutschland wird eine Zulassung Mitte März erwartet. Derzeit
wächst in Deutschland der Stau an bereits vorhandenem Impfstoff.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA erteilte am Samstag (Ortszeit) eine
Notfallzulassung für das Präparat von Johnson & Johnson. In den USA
ist es das dritte zugelassene Vakzin. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA
erwartet das Ergebnis der bei ihr laufenden Prüfungen für Mitte
März. Laut Bundesgesundheitsministerium bekommt Deutschland 36,7
Millionen Johnson & Johnson-Dosen über die EU.

Das Präparat entfaltet seine volle Wirkung schon nach Verabreichung
einer Dosis und muss - anders als die übrigen genutzten Impfstoffe -
nicht zweimal gespritzt werden. In den USA werden bisher nur die
Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna gespritzt, in der EU auch
das von Astrazeneca. Ähnlich wie der Impfstoff von Astrazeneca hat
der von Johnson & Johnson nach bisherigen Studienergebnissen eine
geringere Wirksamkeit als die von Biontech/Pfizer und Moderna.

In Deutschland stapeln sich weiter große Mengen Astrazeneca in den
Kühlschränken der Bundesländer. Bis Freitag laut RKI nur 364 000
Dosen davon geimpft. Laut Bundesgesundheitsministerium wurden mehr
als 1,4 Millionen Dosen geliefert. Weitere 1,7 Millionen
Astrazeneca-Dosen waren seit Samstag für die kommenden Tage geplant.

Gleichzeitig gab es in den vergangenen Tagen eine heftige Debatte
darüber, wer die insgesamt immer noch knappen Impfstoffe bekommen
soll. Die Länder verfahren hierbei unterschiedlich. So konnten zum
Beispiel in Baden-Württemberg Lehrkräfte und Kita-Erzieherinnen
Impftermine ausmachen - nicht aber Krebskranke und über 70-Jährige.
In Berlin wurden hingegen über 70-Jährige zum Impfen eingeladen.

Warum große Mengen Astrazeneca-Impfstoff ungenutzt sind, ist seit
Tagen unklar. Die einen sehen die Hauptgründe in einer mangelnden
Organisation der Impfungen in den Ländern - die anderen in einer
ablehnenden Haltung vieler Menschen diesem Präparat gegenüber. Es hat
mit einer Wirksamkeit von 70 bis 80 Prozent niedrigere Werte als die
Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll sich nach einem Vorschlag
des Generalsekretärs der Deutschen Gesellschaft für Immunologie,
Carsten Watzl, live im Fernsehen mit dem Präparat impfen lassen. Das
soll der Skepsis gegen den Impfstoff entgegenwirken, wie er der
britischer BBC sagte.

Es sei bereits abzusehen, dass die Ständige Impfkommission das Vakzin
auch für die über 65-Jährigen empfehlen werde, so Watzl. Für diese

Gruppe ist es mangels Studiendaten derzeit noch nicht
zugelassen. «Wenn Angela Merkel zu diesem Zeitpunkt ins
Live-Fernsehen gehen würde und mit dem Impfstoff geimpft würde, wäre

das natürlich großartig», so der Immunologe. Der
Astrazeneca-Impfstoff habe ein reines PR-Problem. 

Bund und Länder wollen erklärtermaßen eigentlich möglichst schnelle

Fortschritte beim Impfen. Denn dadurch sollen weniger Menschen an und
mit Covid-19 sterben oder daran schwer erkranken. Impfen gilt auch
als einzige Maßnahme, um die Pandemie insgesamt einzudämmen. Bund und

Länder wollen bei ihrem nächsten Krisentreffen am Mittwoch
Lockdown-Lockerungen zunächst vor allem von Corona-Tests abhängig
machen. Denn Impfstoff ist noch nicht breit verfügbar. 

Deutschlands Kassenärzte machen seit Tagen Druck, dass die Länder
ihre Impfprogramme entbürokratisieren und die Ärzte über die
Impfzentren hinaus so früh wie möglich einbinden sollen. Bis Ostern
könnten ihren Berechnungen nach mehr als zwei Millionen zusätzliche
Erstimpfungen gespritzt werden, wenn keine Impfdosen mehr für
Zweitimpfungen zurückgelegt werden. Bis zum Beginn der Sommerferien
in den ersten Ländern könnten es sogar mehr als 7,5 Millionen sein.
Demnach könnten dann 58 Prozent der Bevölkerung mindestens eine
Impfung erhalten - nicht 47 Prozent, wie bisher geplant.

Die Aufstockung der Impfkapazitäten etwa durch Einbindung der
niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte wird laut Kassenärztlicher
Bundesvereinigung noch dringender, wenn die Impfstoffe der von
Johnson & Johnson sowie des Herstellers Curevac zugelassen werden.

Nach der Zulassung des Johnson & Johnson-Impfstoffs sprach
US-Präsident Joe Biden von «begeisternden Nachrichten für alle
Amerikaner und einer ermutigenden Entwicklung in unserem Bemühen, die
Krise zu beenden». Die EU-Kommission hat von Johnson & Johnson
Impfdosen für 200 Millionen Menschen bestellt. Zudem hat sie eine
Option auf ausreichende Mengen für noch einmal 200 Millionen
Personen. Anfang Februar hatte Johnson & Johnson die Notfallzulassung
für den von seiner Pharmasparte entwickelten Corona-Impfstoff bei der
FDA beantragt. Mitte Februar folgte der Antrag bei der
EU-Arzneimittelbehörde EMA.

Laut einem Zwischenergebnis der Phase-III-Studie mit rund 44 000
Probanden bietet der Impfstoff von Johnson & Johnson vier Wochen nach
Verabreichung einen 66-prozentigen Schutz vor mittleren oder schweren
Covid-19-Krankheitsverläufen. Die Wirksamkeit gegen schwere
Erkrankungen wurde mit 85 Prozent angegeben. Die Prozentzahlen
bedeuten, dass es in der geimpften Probandengruppe entsprechend
weniger Fälle gab als in der Placebo-Probandengruppe.